Herr Hanuka, in Ihrer Graphic Novel »The Realist« haben Sie sich nicht nur als Vater gezeichnet. Sie sind Superheld, Kind – manchmal sogar ein Smartphone. Wie würden Sie sich gerade jetzt in diesem Moment zeichnen?
Hm, ich denke, ich würde mich als Wasserpfütze auf dem Boden malen – komplett geschmolzen. Nur mein Kopf würde herausgucken. Und ein Kaffeebecher.
Ist es so heiß in Tel Aviv?
Ja. Aber es ist nicht nur die Hitze und Feuchtigkeit. Momentan sind Sommerferien, und meine Routine ist unterbrochen. Man muss jeden Tag improvisieren und weiß nicht, ob man sein ganzes Programm schafft. Routine ist für mich sehr wichtig, denn das Zeichnen beruhigt mich. Und wenn ich diese Art der täglichen Meditation nicht habe, dann kann ich nicht richtig kommunizieren. Ich fürchte mich immer ein bisschen vor dieser Zeit.
Also freuen Sie sich schon auf das Ende der Ferien?
Der Sommer ist für mich in jeder Hinsicht schlecht – außer natürlich der Umstand, dass wir mit der Familie wegfahren und viel Zeit mit den Kindern verbringen können. Das kommt sonst meistens zu kurz.
Wie hat Sie das Vaterwerden in Ihrem Zeichnen und Storytelling verändert?
Es gab vorher bei mir kein Storytelling. Mit dem Schreiben habe ich erst nach der Geburt unserer Kinder begonnen. Ich hatte zwar schon mit anderen Schriftstellern gearbeitet, aber noch nicht wirklich geschrieben. Das Vaterwerden war ein ziemlicher Konflikt für mich, sodass ich dazu etwas schreiben musste.
Warum?
Nun, alle Kinder zeichnen. Manche hören damit auf, wenn sie erwachsen werden. Außer Leute wie ich, die professionell zeichnen und immer mit diesem kindlichen Ich verbunden sind. Wenn solche Menschen dann jedoch eigene Kinder haben, müssen sie erwachsen sein. Das ist hart, eine Herausforderung, und war in meinem Fall ein echter Konflikt. Ich wusste, dass ich keine Geschichte erfinden, sondern über mein wahres Leben schreiben wollte. Ich habe früher Superhelden-Comics gelesen und kannte ihre Dialoge, wenn sie auf einem Wolkenkratzer in New York kämpften. Mit diesen Mitteln versuche ich, die Herausforderungen in meinem Alltag zu beschreiben, denn man ist jeden Abend Superman, wenn man die Kinder ins Bett bringen muss.
Auf Ihrem Instagram-Account haben Sie kürzlich ein Bild von Batman gepostet. Was fasziniert Sie an Superhelden?
Man weiß, dass sie ein Geheimnis haben. Sie tragen eine Maske. Batman ist nicht nur Batman, er ist auch Bruce Wayne. Was uns schlussendlich als Menschen ausmacht, sind unsere Geheimnisse – all diese dunklen Ecken, die wir für uns behalten, das wahre Ich, nicht das Facebook-Ich.
Ein ganz realer Superheld, den Sie bei Instagram gepostet haben, ist Muhammad Ali, der vor zwei Monaten gestorben ist und auf Ihrem Bild Superman eine Ohrfeige verpasst. Was passiert, wenn die wahren Superhelden sterben?
Ich denke, wir werden einfach alt und alle Musiker oder Schauspieler, die wir bewundert haben, auch. Das ist der Lauf der Dinge. Muhammad Ali war mein Held. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen sind die »DC Comics«, in denen Superman gegen Ali auf einem entfernten Planeten kämpft. Ich kannte Ali aus diesem Comic, aber für mich war er real.
Was hat Sie an ihm fasziniert?
Er hatte einen arabischen Namen, er war schwarz, er war anders. Mein Name klang auch nicht amerikanisch, ich war nicht hellhäutig, das hat mich sofort an ihm begeistert. Für mich war Muhammad Ali mit seinem Satz »Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene« mein erster Philosoph. Und je mehr ich über ihn erfuhr, desto vertrauter wurde er für mich. Er war ein Außenseiter, verweigerte den Krieg, engagierte sich für Menschenrechte. Er widersprach dem Klischee eines weißen Superhelden und war gerade deswegen »The Greatest«. Dieser Spruch von dem Schmetterling und der Biene motiviert mich bis heute. Wenn es mir nicht gut ging, und selbst wenn ich ihn nur ganz leise zu mir selbst gesagt habe, war das sehr aufbauend.
Sie spielen in »The Realist« auf Ihre Misrachi-Herkunft an. Wie haben Sie die erlebt?
Also, es gibt keine so krassen Konflikte wie zwischen Schwarz und Weiß in den USA. Es ist kein Rassismus, aber man kann schon von Diskriminierung sprechen. Israel wurde von den Aschkenasim aufgebaut, und die Idee war eine europäische. Teile meiner Familie kommen aus Bagdad, andere aus Kurdistan. Sie hatten immer gute Beziehungen zur arabischen Gemeinschaft in Israel. Sie sprachen Arabisch, und ich bin mit dem Essen, der Musik und der arabischen Kultur aufgewachsen. Das war in den 80er-Jahren in Israel nicht so einfach.
Weshalb?
Ich dachte, ich müsse meine Herkunft verstecken, denn die Mehrheit der Menschen war weiß. Ich passte da mit meinem dunklen Aussehen und meinem jüdisch-arabischen Background nicht hinein. Deswegen habe ich nach etwas anderem gesucht. Ich habe mich durch die unterschiedlichen Kulturen gebrowst: durch die amerikanische, die europäische, die japanische, nur um etwas zu finden, wohin ich passen könnte. Ich konnte meinen Platz in Israel nicht finden. Ich denke, es täte Israel gut, wenn die europäische Kultur sich mehr mit der arabischen vereinen würde.
Gemeinsam mit Ihrem Zwillingsbruder Tomer haben Sie im vergangenen Jahr die Graphic Novel »The Divine« veröffentlicht. Worum geht es darin?
»The Divine« war eine Art Traum-Projekt von uns beiden. Tomer entdeckte in einer Zeitung diese unglaubliche Geschichte über eine Gruppe von Guerilla-Kindersoldaten, der es auf seltsame Weise gelang, die burmesische Armee zu besiegen. Es gab Menschen, die dachten, diese Kinder hätten übernatürliche Kräfte, weil sie sehr jung waren und nur ein paar Gewehre hatten.
Wie haben Sie die Geschichte ausgearbeitet?
Wir waren ein Viererteam und wussten ziemlich schnell, dass wir die Geschichte der Zwillinge nicht einfach nur eins zu eins übernehmen, sondern wieder zurück auf die Fantasy-Ebene gehen wollten. Vom Fakt zur Fiktion. Außerdem haben wir noch einige Charaktere hinzugefügt.
Ihr Zwillingsbruder zeichnet ebenfalls sehr erfolgreich. Wie arbeiten Sie zusammen?
So wie Tomer und ich aufwuchsen, hatten wir keine Super-Kräfte. Allerdings dachten wir, dass wir welche hätten, weil wir obsessiv amerikanische Comic-Bücher lasen. Für uns stand fest: Wenn wir groß werden, haben wir Super-Kräfte – aber wir wurden nur Illustratoren, also konnte das nicht weit davon entfernt sein. Als wir die Geschichte der burmesischen Zwillinge entdeckten, war das wie ein Spiegel. Diese Kinder lebten das, wovon wir geträumt hatten, als wir klein waren. All unsere Fantasien waren ihre Realität.
Und die Graphic Novel wurde international ausgezeichnet.
Ja. Was aber für uns darüber hinaus erstaunlich war, war die Tatsache, dass wir über Facebook eine Nachricht von einem der echten Zwillinge bekamen. Er wollte alles über Tomer und mich wissen. Und plötzlich wirkte es so, als hätten wir für ihn diese Magie, die die beiden mit ihrer Geschichte für uns hatten. Er ist in seinen 30-ern und lebt in der Schweiz. Sein Bruder blieb in Thailand zurück, in einem Flüchtlingscamp. Es war alles ganz wundervoll, weil aus der Realität Fiktion wurde, die wiederum von der Wirklichkeit eingeholt wurde.
Werfen wir einmal einen Blick in die Zukunft. Wie, denken Sie, werden Comics gelesen werden?
Ich denke, dass jede Kunstform einer technologischen Entwicklung unterliegt. Ein Film ist heute viel mehr als ein Film: Er kann 3D sein. Aber Bücher bleiben immer Bücher. Ich persönlich liebe es, Comics auf Papier zu lesen. Manchmal muss ich auch digitale Comics lesen, wenn ich welche aus Japan bekomme. Aber ich liebe es, vor dem Zu-Bett-gehen zu lesen oder sogar auf der Toilette zu sitzen und zu lesen. Man sitzt da, hält dieses Objekt in der Hand, und es ist ein sehr intimer Moment. Comics sind wie ein Gerüst: Man kann sich viele Dinge vorstellen, aber genießt auch das Handwerk, die Bilder und die Kunst. Es gibt sogenannte Motion-Comics, aber die mag ich nicht so. Denn der Zauber besteht in den statischen Bildern, und der Leser muss seine Fantasie bemühen. Genau das lässt ihn zu einem Teil der Geschichte werden.
Mit dem Illustrator und Comic-Zeichner sprach Katrin Richter.
www.asafhanuka.com
www.facebook.com/The-Realist-272454426133682/?fref=ts
www.cross-cult.de