Am 14. September hätte Amy Winehouse ihren 40. Geburtstag gefeiert. Doch obwohl das immer noch ein junges Alter wäre, müssen wir den Tag ohne die geniale Sängerin begehen. Die Britin starb vor zwölf Jahren an einer Alkoholvergiftung. Jahrelang kämpfte Amy Winehouse gegen die Dämonen ihrer Drogen- und Alkoholabhängigkeit, gegen Depressionen und andere psychische Heimsuchungen.
Jetzt haben ihre Eltern ein ebenso anrührendes wie intimes Buch veröffentlicht: Amy Winehouse – In Her Words. Das Buch liegt bisher nur auf Englisch vor. Es enthält Notizen, Tagebucheinträge, Songtexte und Zeichnungen von Amy über die Jahre. Dabei sind die Inhalte gegliedert nach Kindheit, Schulzeit, Erwachsenwerden, lyrischer Entwicklung, Ruhm und Erbe. Herausgekommen ist ein Sammelband, der viel von ihrem behüteten Leben als Kind und Jugendliche zeigt, ein Buch voller Liebe, aber auch voller Selbstzweifel und Ermahnungen an sich selbst.
SCHLAGLICHTER Das intensive Vorwort der Eltern Mitch Winehouse und Janis Winehouse-Collins wirft einzelne Schlaglichter auf das Leben der Tochter. Amy war von Kindesbeinen an eine Perfektionistin. Sie war auch eine sehr private Künstlerin, die ihren Schaffensprozess streng kontrollierte und ihre Songs erst dann veröffentlichte, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie fertig oder so weit entwickelt waren, wie es eben ging.
Dabei war der Wunsch, Künstlerin zu werden, schon früh fest verankert – wenn auch garniert mit ein paar Amy-typischen Selbstzweifeln: »Als ich ein kleines Kind war, war es mein Traum, auf eine Schauspielschule zu gehen, aber ich hätte nie geglaubt, dass derlei geschehen würde … Ich war ein jüdisches Mädchen aus Nordlondon, und so etwas passiert jüdischen Mädchen aus Nordlondon nicht, die Amy Winehouse heißen.
Sie war von Kind an eine Perfektionistin, die ihren Schaffensprozess streng kontrollierte.
Musik war aber nicht nur Liebe und Vertrautheit für Amy (»Jazz ist wie ein kuscheliges Bett, ein Verwandter, ein alter Freund«), sondern auch Therapie. »Wenn ich etwas nicht erlebt habe, kann ich es nicht in Liedform bringen. Es muss autobiografisch sein. Es ist ein Exorzismus. Ich lasse die ganzen Sachen raus … Hätte ich nicht dieses Medium, ich wäre verloren.«
Ähnliches gilt auch fürs Schreiben. »Für mich ist Schreiben ein ganz natürlicher Prozess. Ich warte darauf, wenn ich etwas Schreckliches erlebt habe und ich nichts anderes tun kann, als darüber zu schreiben. Ich folge meinem Herzen, weil man sich sonst zu sehr in den Meinungen anderer Leute verfängt. Nicht, dass ich eine große Autorität wäre! Ich bin ein verdammter Idiot wie der Rest der Welt, aber ich vertraue auf meinen Instinkt, und das hat mich dorthin gebracht, wo ich bin.«
ZEUGNISSE Ob es Amy recht gewesen wäre, all diese persönlichen, skurrilen, witzigen und teils wirklich intimen Gedanken veröffentlicht zu sehen, werden wir nie erfahren. Aber ziemlich sicher ist: es hätte ihr gefallen, dass die ganzen Einnahmen des Buches den in ihrem Namen gegründeten Wohlfahrtsorganisationen zugutekommen. Am Ende des Bandes, im Kapitel »Legacy«, finden sich bewegende Zeugnisse von zwei Menschen, denen Amyʼs Place, eine Reha-Einrichtung für Suchtkranke, geholfen hat.
»Jazz ist wie ein kuscheliges Bett, ein Verwandter, ein alter Freund.«
Amy Winehouse
Natürlich stammt die Mehrheit der Einträge aus ihrer Kindheit und Jugend. Die erwachsene Winehouse führte, soweit bekannt, kein Tagebuch oder Scrapbook – zumindest keines, das den Eltern zugänglich gewesen wäre. Und so enden die meisten Einträge nach Veröffentlichung des Debütalbums Frank 2003, einige wenige Fragmente reichen bis ins Jahr 2006.
Ob Selbstporträts, Lyrikversuche oder strenge Mahnungen an sich selbst – »Rauche nur nach dem Essen. Keine verdammten Kohlenhydrate, Schlampe!« – das Buch ist eine wahre Schatztruhe, auch und gerade, weil die Eltern dafür sowohl ihr Herz als auch ihre Archive geöffnet haben.
familienfotos Dazu gehören auch anrührende Familienfotos von Amys geliebten Reisen zu Verwandten nach Florida, Bilder von Barmizwa-Feiern und anderen jüdischen Festen – dazwischen wieder Zitate der Sängerin, die ihre Klugheit, Fragilität und vor allem ihr gigantisches Talent, musikalisch wie sprachlich, abbilden: »Jede Tragödie ist ein Blues Song, der darauf wartet, geschrieben zu werden.«
Einer der letzten Einträge ist vielleicht in seiner Kürze und Fehleinschätzung der berührendste: »Ich möchte als jemand in Erinnerung bleiben, der sich nicht nur mit einer Ebene musikalischen Könnens zufriedengab, sondern als Pionier … Ich habe noch so viel Zeit, um das zu erreichen. Das ist das Aufregende daran; ich habe noch Jahre, um Musik zu machen.
»Amy Winehouse – In Her Words«. HarperCollins, London 2023, 288 S., 35,95 €