Die Tradition des jüdischen Witzes lebt heute vor allem in den USA weiter – am ursprünglichsten im Jiddischen, so wie es dort, wenn auch in beklagenswert rückläufiger Entwicklung, gepflegt wird. Darüber hinaus beeinflusst das Jiddische jedoch auch das Englische.
Man spricht daher vom Yinglish. Diese Bezeichnung ist ein »blend«, wie die Linguisten sagen, eine Zusammensetzung aus Wortbestandteilen: Yiddish und English ergibt Yinglish.
umgangssprache Wichtig ist allerdings die Unterscheidung, die der amerikanische Autor Leo Rosten 1968 in seinem Bestseller The Joys of Yiddish getroffen hat. Die Bezeichnung Yinglish verwendet man für Wörter, die umgangssprachlich innerhalb und außerhalb der USA gebraucht werden, wie »kibitzer«, »mishmash« oder »bagel«.
Daneben gibt es Wörter, die nur im amerikanisch-jüdischen Kontext verstanden werden: In den Catskill Mountains, dem El Dorado amerikanisch-jüdischer Sommerurlauber, nennt man etwa Zimmer oder Bungalows mit Kochmöglichkeit »kochalayns« – hergeleitet aus den uns vertrauten Wörtern kochen und allein. Und wer dort anderen in die Karten schaut, den nennt man einen »kibitzer«. Für solche Ausdrücke prägt Rosten wiederum ein Blend, diesmal aus American und Yiddish: nämlich Ameriddish.
DJ Amerikanische Theaterstücke, Fernsehshows und Werbespots enthalten häufig Ausdrücke, die sich in ihrem hintergründigen Humor nur dem erschließen, der mit dem Yinglish und Ameriddish vertraut ist. So hört man New Yorker Discjockeys, wenn für Jugendliche die Sperrstunde beginnt, gelegentlich ins Mikrofon hauchen: »It’s shpeter than you think, kids.«
Will man sich mit jüdisch-amerikanischem Humor vertraut machen, sollte man Leo Rostens Bücher lesen, neben dem genannten The Joys of Yiddish etwa Hooray for Yiddish (1982). Rosten ist ein witziger Kommentator, kein »alrightnik«, sondern ein kritischer Beobachter.
Sein Definitionsstil ist scharfzüngig und nicht »fancy-shmancy« (deutsch: schickimicki). Es gibt kaum ein Wörterbuch, in das in vergleichbar amüsanter Weise Witze eingestreut wären, um Worterklärungen zu verdeutlichen: Ein »maven« etwa ist ein Experte; das Wort wurde aus dem Hebräischen über das Jiddische ins amerikanische Englisch übernommen und ist absolut geläufig.
Varianten Ein »maven« für Yinglish und Ameriddish kennt neben den grammatischen auch rhetorische Eigenheiten dieser Varianten, etwa die Echofrage, mit der man die Unsinnigkeit einer Ausgangsfrage betont: »Er bleibt wie lange in Berlin?« Schwierige Fragen pariert man mit einer Gegenfrage. Sagt also O’Neill zu seinem jüdischen Freund: »Pinsky, warum beantworten Juden jede Frage mit einer Gegenfrage?« Erwidert dieser: »Warum nicht?«
Doch Grammatik und rhetorische Tricks waren für die Integration amerikanischer Juden, wie es der Literaturwissenschaftler Irving Howe in seinem Buch World of Our Fathers (1976) präzisierte, nicht das Entscheidende: »The difficulties were basically cultural.«
Witz Dem »altehrwürdigen Verbot, sich mit nichtjüdischer Kultur einzulassen«, entspringt, wie auch Jan Meyerowitz in Der echte jüdische Witz (1971) betonte, eine reiche Quelle jüdischen Witzes, nicht nur in den USA.
Durch ein Beispiel unterstreicht Meyerowitz »mit einem ziemlichen Schuss gar nicht immer so lustiger Bosheit« den Zweifel an der Wünschbarkeit und Möglichkeit der Assimilation: Ein Jude geht in die Götterdämmerung. Es dauert drei Stunden, vier Stunden, fünf Stunden, sechs Stunden! Als er aus dem Theater kommt, fragen ihn die Freunde, wie es gewesen sei. »Oh, herrlich, wunderbar, nur der Schluss war ebbes überstirzt!«