Physik

Israelis am CERN

Wissenschaftler aus Jerusalem und Rehovot werden in hohe Positionen am Kernforschungszentrum in Genf berufen

von Lars Fischer  04.01.2016 17:32 Uhr

Teilchenbeschleuniger Foto: dpa

Wissenschaftler aus Jerusalem und Rehovot werden in hohe Positionen am Kernforschungszentrum in Genf berufen

von Lars Fischer  04.01.2016 17:32 Uhr

Die Sprache der Physik scheint auch die Diplomatie zu erleichtern. Dieser Tage beruft das europäische Teilchenbeschleunigerzentrum CERN mit Eliezer Rabinovici einen Wissenschaftler aus Israel auf einen der prestigeträchtigsten Posten der europäischen Wissenschaft. Der theoretische Physiker vom Racah-Institut für Physik der Hebräischen Universität Jerusalem wird, falls die Vertreter der 21 anderen Mitgliedsländer zustimmen, CERN-Vizepräsident.

Mit ihm tritt ein weiterer prominenter israelischer Forscher in die Gremien des Großforschungsinstituts ein: Yossi Nir vom Weizmann-Institut in Rehovot wird Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees (SPC), das unter anderem Empfehlungen zum Versuchsprogramm der Beschleunigeranlage abgibt. Zusätzlich sitzt der Stellvertretende Direktor der israelischen Finanzaufsichtsbehörde Eli Marzel zukünftig im Ständigen Beratungskomitee für Rechnungswesen (SACA) des CERN.

String-Theorie Die Berufungen kommen fast genau zwei Jahre, nachdem Israel im Januar 2014 das erste nichteuropäische CERN-Mitglied wurde – der erste Neuzugang überhaupt seit 1999, als Bulgarien Mitgliedsland wurde. Rabinovici spielte seit Jahren bei diesem Prozess eine wichtige Rolle als Vertreter Israels bei CERN – eine Position, die er schon bei der Bewerbung des Landes um den Mitgliedsstatus im Jahr 2011 innehatte.

Generell beschäftigt sich der theoretische Physiker vor allem mit den String-Theorien, nach denen die Teilchen der klassischen Teilchenphysik fadenartige Objekte sind. String-Theorien sind spannend, weil sie die Schwerkraft und die Quantenmechanik zusammenführen könnten – jene grundlegenden Beschreibungen des Universums, die zwar beide unverzichtbar sind, aber sich bisher gegenseitig ausschließen.

Yossi Nir dagegen ist Spezialist für das gegenwärtige Standardmodell der Teilchenphysik. Es beschreibt das System aus Elektronen, Quarks und Neutrinos, das die Grundlage der Materie bildet. Nicht zuletzt folgt aus ihm die Existenz des Higgs-Bosons, das 2012 am CERN entdeckt wurde. Das Standardmodell gilt heute als die genaueste physikalische Theorie überhaupt – seine Vorhersagen haben sich auf Dutzende Stellen hinterm Komma bestätigt. Doch es hat den Schönheitsfehler, dass es eine ganze Reihe ziemlich wesentlicher Dinge nicht vorhersagt – zum Beispiel die genauen Massen der verschiedenen Elementarteilchen.

Antimaterie Für Fachleute ist das ein Unding – denn sie suchen eine »Theorie von allem«, eine vollständige physikalische Theorie des Universums, aus der alle Eigenschaften der Teilchen sauber hervorgehen. Deswegen untersucht Nir die Lücken und Schwächen des Modells: die mysteriöse Dunkle Materie, die unerwartete Masse der Neutrinos oder weshalb die gesamte Welt aus Materie besteht – und nicht aus Antimaterie.

Hinter diesen Ungereimtheiten könnten sich Hinweise auf eine »neue Physik« verbergen, die über das Standardmodell hinausgeht und die klassischen Quantentheorien mit der Gravitationstheorie vereint. Mithin bearbeitet Nir das gleiche Problem wie Rabinovici, nur von der anderen Seite her kommend. Und obwohl beide Physiker von Haus aus Theoretiker sind, hängt ihre Arbeit eng mit den Kollisionsexperimenten der Teilchenbeschleuniger zusammen – Geräte wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN liefern die Rohdaten, an denen sich Nirs und Rabinovicis Theorien ebenso messen lassen wie dass sie Ordnung in sie bringen müssen.

Kooperation Doch speziell für Rabinovici sind Teilchenbeschleuniger mehr als bloß große physikalische Experimente – er sieht in ihnen geradezu völkerverbindende Maschinen. Dem diplomatischen Gedanken verpflichtet, fungierte er nicht nur als internationaler Repräsentant im Rat der American Physical Society, sondern er war auch von Beginn an beteiligt an einem der bemerkenswertesten wissenschaftlichen Projekte der Welt: der Synchrotron-Lichtquelle SESAME in Jordanien, einer ungewöhnlichen Kooperation von Instituten unter anderem aus Ägypten, Iran, Israel und Pakistan.

Das Gerät, ursprünglich in Berlin beheimatet, stellt Forschern im gesamten Nahen Osten extrem intensive, hochenergetische Strahlung für Wissenschaft und Technik zur Verfügung – als bisher einziges seiner Art im Nahen Osten. Wissenschaft, erklärt Rabinovici, sei eine Brücke zum Frieden. Israels CERN-Mitgliedschaft kann man vor diesem Hintergrund nur als jüngste Bestätigung seiner langjährigen Tätigkeit als internationaler Brückenbauer deuten – und die aktuelle Wahl der drei Israelis auf hohe Posten auch ein wenig als seine persönliche Belohnung.

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024