Roberto Saviano

Intrigen und Verrat

Roberto Saviano

Intrigen und Verrat

Der italienisch-jüdische Autor schreibt sprachgewaltig in zwölf Erzählungen über die Frauen in der Mafia

von Knut Elstermann  28.03.2025 10:47 Uhr

Roberto Saviano hat in seinen Büchern wie Gomorrha und zuletzt dem monumentalen Roman Falcone eindringlich gezeigt, wie die Macht der Mafia die ganze italienische Zivilgesellschaft erfasst. Selbst vom Tode bedroht, muss der Autor bis heute versteckt leben. In seinem neuen Werk Treue untersucht er, wie der zerstörerische Einfluss des organisierten Verbrechens noch die intimste Beziehung vergiftet.

Sprachgewaltig beschreibt er in zwölf Erzählungen (hervorragend von Anna Leube und Wolf Leube übersetzt) weibliche Schicksale in mafiösen Strukturen, in denen die Frauen zu Gefangenen werden, entrechtet, geknechtet und zu »Gebärmaschinen« degradiert. »Ein Mafioso ohne Erben ist gefährdet, ebenso seine Frau. Er kann kein Boss werden oder bleiben, weil er seine Macht auf Dauer nicht behaupten kann«, schreibt Saviano. Solche kommentierenden Abschnitte stellt er in seine Schilderungen, ein Kompendium archaischer Regeln.

Die Frau ist nur ein Mittel zum Zweck

Die Frau ist demnach nur ein Mittel zum Zweck, sie wird als Faustpfand und zur Erpressung eingesetzt oder wie in der feudalen Heiratspolitik zur Verbindung von Clans benutzt. Brüder, Väter und Onkel bewachen dieses lebende Kapital, Liebe ist nicht vorgesehen. Sitzen ihre Männer im Gefängnis, haben die Frauen in Treue auszuharren.

Sie werden gelegentlich auch zu Täterinnen wie Anna Corrina, die die Geschäfte ihres inhaftierten Mannes übernahm. Aussteigerinnen müssen mit grausamer Rache rechnen, dennoch haben es einige von ihnen geschafft, ein neues Leben zu beginnen. Wie Rosa, die im März 2004 vor der Justiz auspackte und Licht in die blutigen Machenschaften der Gargano-Mafia brachte. Ganze Familien waren ausgerottet worden. Heute lebt Rosa unter einer neuen Identität mit ihren Kindern zusammen.

Savianos Geschichten haben manchmal Shakespeare-Format, hier gibt es skrupellose Intrigen und Verrat, absurde Wendungen, rasende Eifersucht, die bis zum Wahnsinn geht. Von Trieben und Gier besessen, haben Mafiabosse manchmal jede Vorsicht vergessen und ihr Schicksal damit besiegelt, auch davon erzählt das packende Buch. Es schaut aus der ungewohnten weiblichen Perspektive auf diese verbrecherische Männerwelt, die für die darin gefangenen Frauen eine patriarchalische Hölle ist.

Roberto Saviano: »Treue. Liebe, Begehren und Verrat – die Frauen in der Mafia«, Aus dem Italienischen von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube, Hanser, München 2025, 272 S., 24 €

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  20.04.2025

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025