Israel

In Sekunden übersetzt

Ein neues KI-Modell dürfte die Entschlüsselung jahrtausendealter Schriften erheblich beschleunigen

von Lilly Wolter  23.05.2023 22:23 Uhr

Tontafel mit Keilschrift Foto: picture alliance / REUTERS

Ein neues KI-Modell dürfte die Entschlüsselung jahrtausendealter Schriften erheblich beschleunigen

von Lilly Wolter  23.05.2023 22:23 Uhr

Derzeit hört man beinahe täglich von neuen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, die zahlreiche Branchen auf den Kopf stellen könnten. Nun macht ein KI-Modell der Universität Tel Aviv und der Ariel University von sich reden: Es kann jahrhundertealte Texte übersetzen, die einst in akkadischer Sprache und Keilschrift auf Tontafeln verfasst wurden.

Das Entschlüsseln solcher Schriften erfordert normalerweise jahrelange Arbeit von Experten, aber mithilfe künstlicher Intelligenz dürfte es bald möglich sein, dass die Assyriologie – also jene Wissenschaft, die sich mit dem Entziffern dieser Texte beschäftigt – deutlich an Tempo gewinnt.

Und das macht das KI-Modell der israelischen Forscher zu einem vielversprechenden Werkzeug. Schließlich ist die Erforschung der akkadischen Sprache aus verschiedenen Gründen wichtig. Sie ist nämlich nicht nur die erste semitische Sprache, sondern auch generell eine der ältesten Sprachen der Welt. Sie besser zu verstehen, würde auch bedeuten, die Geschichte der menschlichen Sprachentwicklung weiter ausleuchten zu können. Zudem wurde Akkadisch über 1500 Jahre lang im Nahen Osten gesprochen und liefert damit wichtige Erkenntnisse über die Geschichte des alten Mesopotamien. Also jener Region, die heute hauptsächlich das Gebiet des Irak umfasst und unter anderem für das Hervorbringen früher Hochkulturen bekannt ist.

Die neuen Entwicklungen aus Israel sind auch deshalb spannend, weil es viel mehr Tontafeln in Keilschrift gibt als Wissenschaftler, die sie erforschen könnten. Tatsächlich existieren Hunderttausende dieser Schrifttafeln, die oft über 5000 Jahre alt sind. Denkbar groß wäre der Erkenntnisgewinn, wenn es mithilfe von künstlicher Intelligenz irgendwann möglich wäre, all diese Tafeln zu entschlüsseln.

Entwickelt wurde das neue Modell unter anderem von den Forschern Shai Gordin, Gai Gutherz, Jonathan Berant sowie Omer Levy, die ihre Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS Nexus unter dem Titel »Translating Akkadian to English with neural machine translation« veröffentlichten. Darin erläutern sie unter anderem, dass sie für ihre Studie nicht die originalen Formen der Keilschriftzeichen auf den Tontafeln verwendeten, sondern die alten Keilschrift-Texte erst digitalisiert und dann maschinell ins Englische übersetzt haben. Hierfür entwickelten sie ein Computerprogramm, das diese Übersetzung automatisch durchführt. Zudem haben sie die untersuchten Texte in zwei Datensätze unterteilt, um ihr Modell zu trainieren und zu testen.

Ihr Fazit: Die Übersetzungen des KI-Modells wiesen eine hohe Qualität auf, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Die Ergebnisse waren nämlich nur bei kurzen bis mittellangen Sätzen besonders verlässlich. Darüber hinaus bedurften sie noch menschlicher Korrekturen. Neben korrekten und fehlerhaften Übersetzungen machten die Forscher zudem eine weitere Kategorie aus: die »Halluzinationen«. Gemeint sind damit Übersetzungen, die einen sinnvollen Anschein erwecken, aber mit der tatsächlichen Bedeutung des Ausgangstextes nicht übereinstimmen. Das KI-Modell braucht also noch etwas mehr Training.

Bei dem Ansatz, eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine voranzutreiben, liegt der Fokus ohnehin darauf, die Wissenschaftler in ihrer Arbeit zu unterstützen, anstatt sie zu ersetzen. Schließlich ist diese besondere Form der Übersetzungsarbeit hochkomplex. Sie erfordert nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch vielseitiges historisches und kulturelles Wissen. Um ihren Job fürchten müssen Assyriologen daher also nicht.

Antisemitismus

»Verschobener Diskurs«

Nina Keller-Kemmerer über den Umgang der Justiz mit Judenhass und die Bundestagsresolution

von Ayala Goldmann  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024

Interview

»Wir sind keine zweite Deutsch-Israelische Gesellschaft«

Susanne Stephan über den neuen Verband Jüdischer Journalistinnen und Journalisten

von Ayala Goldmann  20.11.2024 Aktualisiert

Hetzjagd auf israelische Fans

Comedian witzelt über Gewalt gegen Juden

Benaissa Lamroubal nennt auf Social Media die Ereignisse von Amsterdam eine »great experience« und wird dafür von seinen Fans gefeiert

von Ralf Balke  19.11.2024

Frankfurt/Main

Unsichtbarkeit ist keine Option

Zwischen Anpassung und Autonomie: Eine hochkarätige Tagung beschäftigte sich mit jüdischem Leben in Deutschland

von Eugen El  19.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Kulturkolumne »Shkoyach«

Madoschs Mensch

Wie eine Katze zwei Freundinnen zusammenbrachte – in einem Apartment des jüdischen Altersheims

von Maria Ossowski  19.11.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Über Mansplaining, Mut und Mitgefühl: Es fängt im Kleinen an

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Sachbuch

Auf dem Vulkan

In »Niemals Frieden?« rechnet der Historiker Moshe Zimmermann mit der israelischen Politik ab

von Ralf Balke  18.11.2024