Wenn etwas nicht funktioniert, erst einmal nachschauen, ob alle Kabel richtig eingestöpselt sind. Diese Faustregel spart Computernutzern in aller Welt Zeit und Nerven. Die Wissenschaftler am Atomforschungszentrum CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) in Genf schienen diese Regel nicht zu kennen.
Vor einem halben Jahr ging die Meldung um die Welt, am CERN seien Teilchen entdeckt worden, die sich schneller bewegen als das Licht. Laut allgemein anerkannter Lehrmeinung ist das gar nicht möglich – die Lichtgeschwindigkeit ist Albert Einsteins Relativitätstheorie zufolge die absolute Höchstgeschwindigkeit im Universum.
»Einstein widerlegt«, titelten damals Zeitungen weltweit unisono – mal mit, mal ohne Fragezeichen. Die Forscher des OPERA-Projekts, an dem auch das israelische Technion beteiligt ist, hatten Neutrinos – beinahe masselose Elementarteilchen – vom Genfer Teilchenbeschleuniger aus in eine 730 Kilometer entfernte Forschungseinrichtung im italienischen Gran Sasso verschickt. Dabei kamen die Neutrinos um 60 Milliardstel Sekunden schneller an als erwartet – schneller als das Licht.
Stecker Doch die vermeintliche wissenschaftliche Sensation erhielt nun einen Dämpfer. Ein fehlerhafter Kabelanschluss habe die Messergebnisse verzerrt, teilte das CERN in der vergangenen Woche kleinlaut mit. Der Stecker eines Glasfaserkabels, das ein externes GPS-Signal an eine Kontrolluhr weitergeben sollte, war demzufolge wacklig. Ferner habe ein Oszillator, der für die Synchronisierung von GPS-Daten zuständig war, nicht präzise genug funktioniert.
Nachdem diese Fehlerquellen ausgeschaltet waren, reagierten die Neutrinos in den folgenden Messungen so, wie es gemäß der Relativitätstheorie zu erwarten war: Sie bewegten sich geringfügig langsamer als das Licht. Die Physiklehrbücher müssen also nicht umgeschrieben werden.
Ein wenig peinlich ist das für das CERN schon, schließlich hatten Sprecher des OPERA-Projektes seinerzeit vollmundig verkündet, dass ein Messfehler auszuschließen sei. Doch die Wissenschaftler waren redlich genug, ihre eigene Testreihe sechs Monate lang mehrfach zu wiederholen, bevor sie an die Öffentlichkeit gingen. Und auch dann forderten sie andere Forschungseinrichtungen auf, ihre Experimente zu wiederholen, um sicherzugehen, dass sich nicht doch ein Fehler eingeschlichen hatte.
Vorgeprescht war die Presse mit sensationsheischenden Schlagzeilen und Berichten. Wenn also demnächst wieder einmal eine wissenschaftliche Revolution verkündet wird, die angeblich unser ganzes Weltbild auf den Kopf stellt, empfiehlt es sich, ruhig zu bleiben und erst einmal die Kabelverbindungen zu prüfen.