Europameisterschaft

Im Haus des deutschen Sports

Keren Vogler von Makkabi Deutschland ist zufrieden. »Sehr gelungen«, findet sie die Ausstellung Sport. Masse. Macht. Auch dass diese Schau zum »Fußball im Nationalsozialismus«, so der Untertitel, auf dem Gelände des Berliner Olympiaparks zu sehen ist, stört sie nicht. »Es ist ein historischer Ort«, sagt Vogler, die im Makkabi-Präsidium für die Jugendarbeit zuständig ist, über das baulich kaum veränderte Relikt der Olympiade von 1936.

Nach den Spielen fantasierten sich die Nazis hier eine Hochschulstadt herbei, nach 1945 war das Hauptquartier der britischen Streitkräfte, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin stationiert waren, darin untergebracht, und seit den 90er-Jahren sind Sportvereine und Verbände hier angesiedelt: nicht nur Hertha BSC Berlin, sondern auch Makkabi Deutschland. »Heute stehen wir hier«, sagt Vogler stolz. »Wir erinnern an die Geschichte.«

Ronald S. Lauder hält es für »eine Pflicht und ein Privileg, diese Ausstellung zu unterstützen«. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) hat zur Eröffnung eine Videobotschaft geschickt. Fußball sei dem WJC wichtig, heißt es darin, denn dieser Sport »war eine Arena der Diskriminierung«.

Großer Kontrast zur Architektur des Dritten Reiches

Es ist in jeder Hinsicht ein großer Kontrast, den die Macher und Macherinnen von Sport. Masse. Macht gesucht haben: Draußen ist die Architektur des Dritten Reiches zu sehen, doch drinnen, wo die Ausstellung aufgebaut wurde, hat man mit allem gebrochen, was die Inszenierung des Sports im NS-Regime fürs In- und noch viel mehr fürs Ausland verführerisch machen sollte.

Originalpokale sucht man in der Ausstellung vergeblich: Zu sehen sind stattdessen 3D-Drucke.

Originalpokale beispielsweise sucht man in der Ausstellung vergeblich. Zu sehen sind stattdessen 3D-Drucke. Nachbildungen von so unterschiedlichen Trophäen wie dem sogenannten Tschammer-Pokal, den Adolf Hitlers Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten gestiftet hatte – und aus dem der bis heute ausgespielte DFB-Pokal erwuchs.

Oder die Victoria, der alte Meisterpott des deutschen Fußballs, der bis 1944 der jeweiligen Meistermannschaft übergeben wurde. Von 1945 bis 1990 galt er im Westen als verschollen und kann nun im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund bestaunt werden. Alles darf hier bei Sport. Masse. Macht berührt werden, denn es sind nicht die Originale. »Wir wollten weg von dem Fetisch, den Pokale so oft in der Sportwelt haben«, sagt Yvonne Zindel, die Kuratorin der Berliner Ausstellung.

Sie und ihr Team haben sich eine Alternative zum Kult um die Pokale einfallen lassen: Eine kurze Graphic Novel erzählt jeweils die Geschichte der Trophäe, wer sie unter welchen Umständen gewinnen konnte und welche Wege sie genommen hat. Da ist etwa ein sehr schlichter Pokal, um den Häftlinge im Konzentrationslager Sachsenhausen spielten.

Sport im KZ ist ein kaum bekanntes Phänomen

Sport im KZ ist ein kaum bekanntes Phänomen, das hier auch mit den einfachen Mitteln der Graphic Novel in seiner Vielschichtigkeit erzählt wird: dass es ihn als Belustigung für sadistische SS-Wachleute gab, die sich daran ergötzten, wenn Menschen vor ihnen demütigende Übungen machen mussten. Dass es ihn aber auch selbstorganisiert gab, als wichtigen Versuch von Häftlingen, in dieser Hölle noch Würde zu bewahren.

An anderer Stelle geht es um den Pokal, den der österreichische Fußballmeister erhielt. Das war 1925 der SC Hakoah Wien, ein jüdischer Verein, der damals zu den besten der Welt zählte. Der Pokal befindet sich heute in Israel, im Archiv der Maccabi World Union in Ramat Gan. Dass er dort hingekommen ist, zeigt, wie wichtig dieser Erfolg war. Juden, die in den späten 30er-Jahren aus Österreich fliehen konnten, hatten ihn auf verschlungenen Wegen mitgenommen. Leider ist dieser Meisterpokal in der Berliner Ausstellung nur als Zeichnung zu sehen.

Die Graphic Novels, die Geschichten erzählen, sind nicht die einzigen Innovationen von Sport. Masse. Macht. Da, wo es um Olympia 1936 geht, sind nicht Bilder in der Ästhetik Leni Riefenstahls oder anderer systemnaher Künstler zu sehen, sondern Fotos, die ein Making-of zeigen, wie der »schöne Schein« der Spiele in Szene gesetzt werden sollte.

Anschaulich wird das etwa anhand großformatiger Bilder, welche die Dreharbeiten zu Das große Spiel zeigen, einen Spielfilm aus dem Jahr 1942. Die Fotos dokumentieren, wie die als Schauspieler verpflichteten Fußballer, allesamt Spitzensportler des Deutschen Reiches, dort für die Kamera den Hitlergruß üben. Berater des Films war übrigens Reichstrainer Sepp Herberger.

Als Alternative zum Original erzählt eine Graphic Novel jeweils die Geschichte der Trophäe.

Auch um Aktualität ist die Ausstellung bemüht. Wo und in welchem Umfang sich heute Rassismus und Antisemitismus in Stadien artikulieren, wird ebenso dokumentiert wie die in den 90er-Jahren entstandenen Initiativen gegen diese Entwicklungen. Wie der Fußball mit dem Hass umgeht, der nach dem 7. Oktober 2023 aufgekommen ist, wird allerdings nur in einem kurzen Video am Rande behandelt. Dies liegt daran, dass die Ausstellung mit einem langen Vorlauf von über zwei Jahren produziert wurde.

Mannschaftstrikots stehen für Vereine, die von den Nazis verboten wurden

Eine weitere Abteilung ist mit Repliken von Mannschaftstrikots sehr schlicht gehalten. Die Trikots stehen für Vereine, die von den Nazis verboten wurden: jüdische Vereine der Bar-Kochba- und Makkabi-Bewegung oder des »Schild«, des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten, oder Vereine des Arbeiter- oder des katholischen Sports.

Die Repliken sollen an die Verantwortung erinnern, die die einzelnen Sportler und Sportlerinnen haben und auch die Vereine, die damals als »arisch« galten. Sie haben ihre jüdischen Sportkameraden und -kameradinnen damals verstoßen und damit geholfen, sie zu entrechten.

Menschen, die auf diese Weise aus dem Sport hinausgeworfen wurden, werden auf besondere Weise vorgestellt. Kurze Videos skizzieren die Biografien von vier Fußballern und einer Leichtathletin, darüber hinaus werden die Geschichten von Frauen erzählt, die mit dem Sport aufs Engste verbunden sind.

Keren Vogler von Makkabi Deutschland etwa trägt die biografischen Daten von Bela Guttmann vor, dem legendären österreichisch-ungarischen Spieler und Trainer, der mit Hakoah Wien österreichischer Meister wurde, der die Schoa in einem Versteck in Budapest überlebte und später, 1961 und 1962, mit Benfica Lissabon den Europapokal der Landesmeister gewinnen konnte. 1964 übernahm Guttmann Österreichs Nationalmannschaft, doch der Weltklassetrainer wurde dort antisemitisch attackiert und trat zurück.

Die Berliner Ausstellung wurde aus Anlass der Fußball-Europameisterschaft konzipiert. Sie ist unmittelbar neben dem Olympiastadion platziert, wo unter anderem die österreichische Nationalmannschaft mindestens zwei Spiele austragen wird und am 14. Juli das Finale stattfindet. Es ist zu wünschen, dass viele Fans der Euro sie sich anschauen.

Die Ausstellung ist außer an Spieltagen der Europameisterschaft täglich von 10 bis 18 Uhr im Olympiapark Berlin, Haus des Deutschen Sports, Hanns-Braun-Straße, zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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