Das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro steht für die Magie des Fußballs schlechthin. Allerdings haben die Brasilianer hier auch das Endspiel der WM 1950 gegen den Erzrivalen Uruguay verloren. Zwischen diesen beiden Extremen, der Euphorie des Triumphs und dem zermürbenden Gefühl der Niederlage, bewegt sich auch die Geschichte des jüdischen Exil-Brasilianers Samuel, der seit den 50er-Jahren in Tel Aviv lebt.
Als ihm eine Herzoperation mit ungewissem Ausgang droht, kratzt er alle Ersparnisse zusammen, um nach Brasilien zur Weltmeisterschaft zu fliegen. Einmal noch will der alte Mann live miterleben, wie die Ballzauberer vom Zuckerhut nach dem Titel greifen: Back to Maracanã.
Inszeniert hat diese melancholische Komödie Jorge Gurvich, ein Argentinier, der 1978 nach Israel ausgewandert ist. Das Drehbuch, das er zusammen mit Hagi Lifshitz verfasste, spannt einen Bogen zwischen drei Ländern und drei Generationen. Nach Brasilien reist Samuel mit seinem Sohn Roberto, der die Fußballverrücktheit geerbt hat, sonst aber ein Taugenichts ist und als 40-Jähriger noch bei seinem Vater wohnt. Weil dessen Exfrau Tali ihren gemeinsamen Sohn Itay überraschend bei ihm parkt, muss Roberto den Jungen nach Brasilien mitnehmen. Für den Elfjährigen ist dies die Höchststrafe, denn ihn interessiert Fußball nicht im Geringsten.
WOHNMOBIL Zu allem Überfluss sind in Brasilien alle Hotels ausgebucht. Samuel kauft kurzerhand ein abgewracktes Wohnmobil, mit dem das Trio durch das Land tuckert. Während die drei ein WM-Spiel nach dem anderen verpassen, versöhnt Samuel sich allmählich mit seinem entfremdeten Sohn, derweil Roberto einen Zugang zu seinem introvertierten Sohn Itay findet. Die warmherzig inszenierte Geschichte hat ihre großen Momente vor allem dann, wenn der Regisseur die Geschichte der jüdischen Familie nicht nur quasi nebenbei mit erzählt.
Elektrisierend aber wirkt der Film aus einem anderen Grund: So treffen Samuel und Roberto immer wieder auf deutsche Schlachtenbummler in schwarz-rot-goldenen Umhängen, die ausgelassen feiernd durch brasilianische Straßen ziehen. Das beklemmende Gefühl dieser Begegnungen mit den Deutschen ist in diesen Szenen beinahe körperlich spürbar, wird jedoch mit dem israelisch geprägten direkten Humor des Regisseurs geschickt unterspielt.
Fußball wird in diesem Roadmovie zu einem Symbol für ein ganz anderes Thema. Und so findet der Showdown nicht im Maracanã statt, sondern in Belo Horizonte – wo die Brasilianer am 8. Juli 2014 eins zu sieben untergingen: gegen Deutschland. Diese historische Schmach hat für die beiden jüdischen Exil-Brasilianer nicht nur eine sportliche Dimension. Die indirekte Thematisierung der Schoa, die mit keiner Silbe erwähnt wird, aber den Film dennoch prägt, verleiht Back to Maracanã eine ganz eigenartige Unterströmung, die man so im Kino bislang noch nicht gesehen hat, den Film aber umso sehenswerter macht. mfr/ja
»Back to Maracanã«, ab 18. Juli im Kino