Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Wenn Videospiele Geschichtsbewusstsein besäßen, würden Super Mario, Sonic und der Master Chief jetzt Schwarz tragen. Denn Ralph H. Baer, der Vater der Videospiele, ist tot.
Als Rudolf Heinrich Baer kam er 1922 in Rodalben in der Pfalz zur Welt. Vater Leo war Schuhmacher. Die Familie floh im August 1938 nach New York. Aus Rudolf Heinrich wurde Ralph Henry. Der 16-Jährige arbeitete bald nach der Ankunft zehn Stunden am Tag in einer Fabrik.
Von seinen zwölf Dollar Wochenlohn zwackte er pro Woche 1,25 Dollar für ein Fernstudium zum Radio- und Fernsehtechniker ab. 1943 wurde er zur Army eingezogen und arbeitete vor allem im militärischen Abwehrdienst in London. Sein Spezialgebiet waren Waffen der Achsenmächte, in deren Gebrauch er die GIs unterwies. Nach dem Krieg machte er einen der ersten Bachelor-Abschlüsse in dem neuen Studienfach Fernsehtechnik.
Rüstungsfirma 1952 heiratete Baer Dena Whinston, das Paar bekam drei Kinder. 1956 ging er zu Sanders Associates in New Hampshire, einer Rüstungsfirma, die Radare und Abwehrsysteme für Flugzeuge herstellte. Doch in einem kleinen Raum im fünften Stock des Firmensitzes tüftelte Baer an ganz anderen Ideen. »Wir konnten auf einem Fernsehbildschirm einen einzelnen Punkt anzeigen lassen, den wir mit einem Knüppel – wie bei einem Flugzeug – steuern konnten«, erinnerte er sich später über den ersten Schritt zu seiner großen Erfindung.
»Dann haben wir einen zweiten Punkt angezeigt, einen zweiten Knüppel. Diese zwei Punkte, mit zwei Spielern, konnten sich verfolgen. Wenn die zwei Punkte sich berührten, verschwanden beide. Das hat Spaß gemacht.« Es war das laut offizieller Geschichtsschreibung erste Videospiel, heute noch im Keller des Museum of the Moving Image in Astoria im US-Bundesstaat New York beschau- und sogar spielbar.
senso Dass er bei einer Rüstungsfirma Spiele entwickelte, erklärte Baer später mit »jüdischer Chuzpe«. Die Firma tolerierte seine »Albernheiten«, solange die Patente Geld einbrachten.
Im Laufe seiner Karriere als Erfinder meldete Baer 150 Patente an. Er ist nicht nur der Erfinder von Videospielen, sondern auch von Zubehör wie der Lightgun, dem in den 80er-Jahren populären Spielzeug »Senso« und – kein Spiel, sondern militärischer Ernst – Sonarsystemen für U-Boote.
Auf einem dieser Patente – Spiele auf einem Fernsehschirm – fußt Baers Ruf als Vater der Videospiele. Die von ihm entwickelte »Brown Box« lizensierte er 1971 an die Firma Magnavox, die sie als »Magnavox Odyssey« vertrieb. Baer tüftelte auch nach seiner Pensionierung und dem Tod seiner Frau Dena 2005 weiter. Gegen Patentverstöße und falsche Geschichtsschreibung ging er noch bis ins hohe Alter vor, mit seinen genauen Aufzeichnungen bewaffnet. 2006 zeichnete Präsident George W. Bush ihn mit der »National Medal of Technology« aus. Vergangenes Wochenende ist Ralph Baer 92-jährig in New Hampshire gestorben.