Sprachgeschichte(n)

Ick find dir dufte

Was auf Hebräisch gut ist, entzückt auch im Umgangsdeutsch

von Christoph Gutknecht  15.12.2014 19:09 Uhr

Toffet Schiffchen: Scarlett Johansson Foto: imago

Was auf Hebräisch gut ist, entzückt auch im Umgangsdeutsch

von Christoph Gutknecht  15.12.2014 19:09 Uhr

»Du bist so dufte!« betitelte jüngst die »Welt am Sonntag« einen Artikel, der die evolutionsbiologische Erkenntnis beleuchtete, der Geruch sei entscheidend bei der Partnerwahl.

Dabei hat »dufte« nichts mit dem olfaktorischen Sinn zu tun (was der für die Überschrift verantwortliche wortspielverliebte Redakteur der Zeitung bestimmt auch wusste).

tow Dass »dufte« sich vom hebräischen und jiddischen »tow« (= gut) herleitet, gilt als gesichert. Das Adjektiv hat, vornehmlich in Berlin, schon Mitte des 19. Jahrhunderts Karriere gemacht. Als sogenanntes »Entzückungswort« war es damals umgangssprachlich ähnlich populär wie die heute nicht mehr nur jugendsprachlichen Modeausdrücke »geil«, »krass« oder »cool«.

Als »dufte Biene« oder, wie es im Brandenburgisch-Berlinischen Wörterbuch (1976–2001) heißt, »‹n toffet Schiffchen« wurde früher ein gut aussehendes Mädchen bezeichnet. Hans Ostwald, der 1905 über Berliner Tanzlokale schrieb, vertrat die Maxime »Mittwochs mache ik mir tof, fahre raus nach Tempelhof«.

Zur Bekanntheit des Wortes »dufte« haben auch viele Künstler beigetragen. Die vor und nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin als Kabarettkönigin gefeierte Claire Waldoff faszinierte ihr Publikum 1911 mit den Liedzeilen: »Ich hab’ schon manche Stadt gesehen/ich war in Brüssel und Paris/auch London ist, ich muss gestehen/ in manchen Sachen jar nicht mies/selbst Rom ist schön, dat merken Blinde/jemütlich lebt et sich in Wien/doch ich ruf laut in alle Winde/ne dufte Stadt ist mein Berlin.« In Ernst Tollers historischem Drama Feuer aus den Kesseln (1930) schwärmte ein Matrose vor einem geplanten Kinobesuch: »Weißt du noch, Dicker, letztes Mal? ... Die Geliebte eines Königs ... Mensch, das Weib war dufte.«

toffte »Tow«, das laut Avé-Lallemants Jüdisch-deutschem Wörterbuch (1862) »gut«, »schön«, »lieblich«, »glücklich«, »groß« und »fröhlich« bedeutete, wurde in der jiddischen Alltagssprache tow oder tauw ausgesprochen. Weinberg nennt in Die Reste des Jüdischdeutschen (1969) die Redensart »tauw in der achiele, lau in der maloche« (gut beim Essen, aber nicht beim Arbeiten) und verweist zugleich auf die ebenfalls üblichen Formen »toff« und »toffte«.

Ein »toffer kaune« war ein guter Kunde, »toffte massematten« bezeichneten gute Geschäfte. Hans Peter Althaus erklärt in Chuzpe, Schmus & Tacheles (2004) »das Nebeneinander von Formen wie toff und toffte in der Alltagssprache deutscher Juden durch den Bezug auf zwei verschiedene Formen des Hebräisch-Aramäischen«, nämlich hebräisch »tow« und aramäisch »tåbta« (Gutes).

taff Auf diese Formenvielfalt trifft man auch im Rotwelschen und in deutschen Mundarten. Klaus Siewerts Textbücher Und wenn sie nicht machulle sind (1992) und Es war einmal ein kurantes anim (1993) kennen sowohl die Versionen »toffte« und »tofte«, wie in den Beispielen »Da hatten wir ganz toffte geschickert« (= da hatten wir ganz schön einen getrunken) beziehungsweise »sie ist eine tofte töle und hat jovle schumme zömkes« (= sie ist eine hübsche Frau mit schönen drallen Beinen).

Die Erkenntnis des Berliner Volksmunds »knorke ist dreimal so dufte wie schnefte« beleuchtet die Kurzlebigkeit solcher Modewörter. »Dufte« gilt heute eher als »uncool« oder »kontrageil« und wurde längst unter anderem durch »taff« ersetzt. Womit wir wieder beim Ausgangspunkt sind. Denn »taff« ist nicht, wie manche glauben, dem englischen Adjektiv »tough« (= zäh) nachgebildet, sondern belebt eher das alte jiddische »toff« wieder.

Leon de Winter

»Man fängt an, mit dem Hund zu reden«

Ein Interview mit dem Schriftsteller über seinen neuen Roman, die »Judenjagd« in Amsterdam und die Zukunft jüdischen Lebens in Europa

von Ralf Balke  22.01.2025

Berlin

Timothée Chalamet bei Berlinale erwartet

Auch jüdische Mitglieder der Filmwelt stehen im Mittelpunkt des Festivals

von Sabrina Szameitat  22.01.2025

TV-Tipp

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Drama über einen jüdischen Belgier, der als angeblicher Perser in einem Konzentrationslager einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll

von Michael Ranze  21.01.2025

Meinung

Wenn Freunde peinlich werden

Das Auswärtige Amt hat einem deutsch-israelischen Stand bei der Frankfurter Buchmesse eine Absage erteilt. Ein Armutszeugnis für Außenministerin Baerbock, findet unsere Redakteurin Ayala Goldmann

von Ayala Goldmann  21.01.2025 Aktualisiert

Aufgegabelt

Tzimmes

Rezepte und Leckeres

 21.01.2025

Interview

»Vornamen prägen«

Rabbiner Dovid Gernetz über den beliebtesten Babynamen in Deutschland und seine jüdischen Wurzeln

von Mascha Malburg  21.01.2025

Kindertransport

Historischer Fund

Rund 10.000 jüdische Kinder konnten den Nazis nach dem Novemberpogrom von 1938 entkommen. Die Forscherin Amy Williams entdeckte in Yad Vashem fast die gesamten Transportlisten

von Bill Niven  21.01.2025

Literatur

Die Heimatsuchende

Heute vor 50 Jahren starb Mascha Kaléko. Ihre Dichtung bleibt erschreckend aktuell

von Nicole Dreyfus  21.01.2025

Kulturkolumne

Gogol oder Döblin?

Warum die Liebe zur Literatur stärker ist als Hass auf ein Regime

von Eugen El  20.01.2025