Herr Kaminer, seit dieser Woche müssen Ihre Tochter und Ihr Sohn (17 und 15 Jahre alt) wieder in die Schule. Sind Sie traurig, dass die Sommerferien nun vorbei sind?
Als Eltern sind wir sehr froh, dass die Schule endlich wieder losgeht. In den Ferien entwickeln die Kinder so eine Art Vampir-Dasein. Tagsüber schlafen sie, und nachts sind sie wach und pendeln zwischen Facebook, dem Kühlschrank und dem Mauerpark in Prenzlauer Berg, wo wir wohnen, hin und her.
In Ihrem neuen Buch »Coole Eltern leben länger« schreiben Sie, dass Ihre Kinder auch während der Schulzeit bis Mitternacht im Internet surfen oder sich online Zombieserien anschauen – und am nächsten Morgen selbst wie Zombies aussehen. Schlafen sie dann in der Schule ein?
Meine Tochter hat gute Noten, obwohl sie bis spät in die Nacht feiert und jeden zweiten Tag ausgeht. Mein Sohn tut für die Schule nie mehr als unbedingt notwendig. Wir versuchen natürlich, seine Einstellung zu beeinflussen …
Wirklich? Sie behaupten doch, dass Sie Ihre Kinder nur in Notsituationen erziehen.
Ich meine damit, dass wir den Kindern nicht jeden Tag auf die Nase binden, was sie falsch gemacht haben. Meine Mutter versucht seit 20 Jahren, ihre Katze davon abzuhalten, dass sie neben das Katzenklo pinkelt. Vielleicht braucht die Katze einfach noch zehn Jahre?
Aus dem Privatleben Ihrer Kinder halten Sie sich angeblich völlig heraus. Sie sind also nicht mit ihnen auf Facebook befreundet und schnüffeln ihnen nicht hinterher?
Das wäre bei uns völlig unmöglich. Die Kinder melden sich schneller ab, als ich überhaupt einen Blick über ihre Schulter werfen kann.
Ist Ihre Frau besser vernetzt als Sie?
Ja, sie weiß mehr als ich. Sie muss den Kindern immer noch Gute Nacht sagen und überprüfen, ob der Wecker auch richtig gestellt ist.
Ihre Tochter hat Sie nicht zur großen Facebook-Party an ihrem 16. Geburtstag eingeladen. Waren Sie beleidigt?
Klar. Aber die Party war für meine Tochter ein viel größeres Drama als für mich. Es kamen falsche Freunde, und hinterher fehlten CDs und Kopfhörer. Ein Jahr später hat sie den 17. Geburtstag nur mit ihren besten Freunden gefeiert. Heute redet sie darüber, wie kindisch und naiv sie »damals«, mit 16, gewesen ist.
Hatten Sie es als Pubertierender in der Sowjetunion vielleicht sogar leichter als Ihre Kinder in Berlin? An autoritären Strukturen können sich Jugendliche doch viel eher reiben als an Eltern, die alles erlauben.
Wir hatten in meiner Jugend viel weniger Freiräume. Es gab keine Facebook-Partys, wir waren von der Außenwelt abgeschottet. Aber ich möchte auf keinen Fall noch einmal 18 sein, weder in der Sowjetunion noch in der Realität meiner Kinder. Das ist so eine ungerechte Lebensphase. Man ist eigentlich schon erwachsen, man will alles, aber man darf nichts. Es ist furchtbar. Und jeder Mückenstich wird zu einer Lebenstragödie.
Mit dem Schriftsteller sprach Ayala Goldmann.