Herr Rosenn, in einem früheren Interview haben Sie einmal gesagt, sie seien grundsätzlich ein glücklicher Mensch. Die Pantomime weckt in vielen ein eher trauriges Bild. Sind Sie glücklich?
Ja. Klar gibt es auch harte und traurige Momente, die ich nicht ausblende, aber im Großen und Ganzen bin ich positiv. Die Pantomime birgt viel Weltkritik und Lebensschmerz, aber auch dort gilt: Das meiste ist lustig und heiter. Was es im Zuschauer weckt, ist etwas anderes.
Sie kommen als Künstler viel in der Welt herum und werden doch überall als Jude oder Israeli empfangen. Stört Sie das?
Nein, eigentlich nicht. Für mich ist die Pantomime eine Chance. Ich kann mit Menschen aller Kulturen kommunizieren. Ich bin kein israelischer Botschafter, ich bin ein Künstler mit einer Botschaft des Lebens. Mein kultureller Hintergrund ist dafür nicht so wichtig.
Ist Ihre Kunst in irgendeiner Form jüdisch geprägt?
Auf jeden Fall. Es sind vielleicht Aspekte, die man in der Show nicht unbedingt bemerkt, die eher im Hintergrund für mich, teilweise auch unterbewusst eine Rolle beim Aufbau der Show spielten. Zum Beispiel: Das Navi in der Highway-Szene ist definitiv die jüdische Mutter, die dir im Nacken sitzt und ständig sagt: Du musst Arzt werden oder vielleicht Anwalt, dann heirate eine schöne und kluge Frau und so weiter.
Am 9. Februar hat ihre neue Show »Speechless« in Berlin Premiere. Worum geht es darin?
Das Programm handelt von der Reise des Lebens. Das wird mit Hilfe von vielen Metaphern beschrieben. Und immer steht Druck dahinter, weiterzukommen und etwas zu leisten.
Was bedeutet der Titel »Speechless«?
Er ist in meinen Augen die Weiterentwicklung der Pantomime. Ich mache keine reine Pantomime mehr wie Marcel Marceau. Ich mache eine richtige Show, mit Licht- und Soundeffekten – nur eben alles ohne Worte. Ich versuche, die Pantomime der heutigen Zeit anzupassen. Außerdem ist »Sprachlos« der Zustand, den ich bei den Zuschauern hervorrufen will.
Schwingt da irgendwo die Sprachlosigkeit vor Entsetzen mit, wie Hannah Arendt sie beschreibt?
Nein, das auf keinen Fall. Meine Show soll den Leuten in erster Linie Freude bereiten, und erst in zweiter Linie sollen sie sich Gedanken machen. Das Tipi am Kanzleramt ist kein Platz für ein Mahnmal.
Am Ende der Show gibt es eine Szene, in der Wände unaufhaltsam näher kommen. Welchen Hintergrund hat das?
Vielleicht erinnert es an die jüdische Angst: Verfolger kommen immer näher, es gibt keine Fluchtmöglichkeit, kein Entrinnen – mit dem Rücken zur Wand, doch hinter uns ist nur das Meer.
Ihre Performance ist nicht immer gleich. Worin liegen die feinen Unterschiede?
Die Show beginnt auf einem Friedhof. Wenn ich in Israel auftrete, zeigt die Szene jüdische Gräber. In Deutschland nicht. Manchmal lasse ich auch ganze Teile weg. Die biblische Geschichte von Samson und Delila werde ich in Berlin wohl nicht mit einbinden. Ich denke, hier versteht mich damit keiner.
Sie haben unter anderem bei dem berühmten Marcel Marceau gelernt, der 2007 in Paris starb. In einem Interview wurden Sie damals gefragt, was Sie Marceau gerne einmal gefragt hätten.
Mich würde interessieren, ob er etwas in seinem Leben anders gemacht hätte. Er hatte ja so gut wie keine Zeit für seine Familie.
Ist das ein Problem, das Sie selbst auch haben?
Nein, manchmal nehme ich meine Familie sogar mit auf Tournee. Außerdem haben sich die Zeiten sehr verändert. Marceau lebte noch in einer anderen Welt. Heute geht das Reisen so schnell. Ich habe Skype sogar auf dem iPhone. Man sagt, die Welt sei kleiner geworden. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber zumindest fühlt man die Distanz nicht mehr so sehr.
Mit dem Pantomimen sprach Benjamin Moscovici.
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Hanoch Rosenn wurde in London geboren und wuchs in Jerusalem auf. Er begann seine Karriere mit 15 Jahren am örtlichen Jugendtheater. Bevor er seinen Armeedienst antrat, nahm er sich eine Auszeit und reiste nach Paris, um die Pantomimenkunst von Marcel Marceau zu erlernen. 1994 hatte er mit seiner Show »Entertainment without Words« einen internationalen Erfolg. Mit seiner Show »Speechless« tritt er vom 9. Februar bis zum 4. März im Tipi am Kanzleramt in Berlin auf.
www.tipi-am-kanzleramt.de