Der Name Ruth Achlama ist in jeder gut sortierten deutschen Buchhandlung zu finden. Doch wohl keiner der Kunden sucht nach ihrem Namen, denn Ruth Achlama schreibt selbst keine Bücher. Die Deutsch-Israelin übersetzt sie – vom Hebräischen ins Deutsche. Darunter sind Werke der großen israelischen Schriftsteller Amos Oz, Meir Shalev und Abraham B. Jehoschua.
»Vom Übersetzen habe ich immer geträumt. Ich arbeite sehr gerne mit der deutschen Sprache«, sagte die 73-Jährige jüngst in einem Interview. Nun wird Achlama für ihren Beitrag zur deutsch-israelischen Verständigung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
»Dass nach dem Zivilisationsbruch der Schoa eine so tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und Israel entstehen konnte, verdanken wir nicht zuletzt auch ihren großartigen Leistungen«, teilte die deutsche Botschaft in Tel Aviv dazu mit. Botschafterin Susanne Wasum-Rainer verleiht den Orden am Donnerstagabend in ihrer Residenz in Herzliya bei Tel Aviv.
KIBBUZ Achlama wurde 1945 als Renate Böteführ in Quedlinburg (heute Sachsen-Anhalt) geboren und wuchs in Mannheim (Baden-Württemberg) auf. »Ich dachte, es war die Aufgabe meiner Generation, die Ärmel aufzukrempeln, Deutschland aufzubauen, auch moralisch, und wieder gesellschaftsfähig zu machen«, sagt die kleine Frau mit den kurzen grauen Haaren.
Sie wollte im Ausland zeigen, dass es »auch das andere Deutschland« gibt«, zitiert Achlama den israelischen Staatsgründer David Ben Gurion. Beim Schüleraustausch und als Studentin warb sie in Frankreich für Versöhnung.
Schon als Jugendliche entwickelte sie zudem ihre Begeisterung für Israel, wie sie selbst sagt. 1969 besuchte sie das Land zum ersten Mal, arbeitete in einem Kibbuz nahe der Küstenstadt Aschkelon, bereiste Israel. »Mich hat das fasziniert: der Phönix aus der Asche«, sagt Achlama über den damals jungen Staat, der wenige Jahre nach der Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis gegründet worden war.
JURA Zuvor hatte Achlama in Heidelberg Jura studiert und einen ersten Kurs in Hebräisch belegt. In Israel lernte sie weiter die Sprache, in der Vokale oft nicht ausgeschrieben werden und es drei verschiedene »S« gibt. Parallel entschied sie sich für das Judentum und konvertierte, noch bevor sie ihren späteren Mann Abraham kennenlernte. Die beiden liefen sich über den Weg, als der Chemiker am Max-Planck-Institut in Heidelberg forschte.
Achlama studierte nach dem Jura-Abschluss ein Jahr Judaistik in Cincinnati (Ohio) und träumte weiter vom Übersetzen. 1974 ging sie mit Abraham nach Israel, wurde israelische Staatsbürgerin und arbeitete nach einem entsprechenden Studium als Bibliothekarin. Mit Mitte 30 fing sie an zu übersetzen. »Die Verlage haben mir eine Chance gegeben, weil sie nicht viel Auswahl hatten«, sagt Achlama über ihre Karriere.
Schnell durfte sie sich einem der größten israelischen Schriftsteller, Amos Oz, widmen. Oz‹ Werk Eine Geschichte von Liebe und Finsternis wurde 2015 von der Oscar-Preisträgerin Natalie Portman verfilmt, die auch eine der Hauptrollen übernahm.
BIOGRAFIE Rund 70 Bücher hat Achlama übersetzt, wie sie selbst sagt. Allein elf von Amos Oz, zehn von Meir Shalev und sieben von Abraham B. Jehoschua. Ihr Schwerpunkt ist Belletristik. Zuletzt übersetzte sie allerdings Tom Segevs Biografie David Ben Gurion, ein historischer 800-Seiten-Wälzer. »Der ist enorm«, sagt Achlama von Segev, »ein großartiger Geschichtenerzähler und ein großartiger Geschichtsforscher.«
Für ihre Arbeit wurde Achlama 2015 mit dem damals neu gegründeten Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis ausgezeichnet. »Ruth Achlama gehört zu den profiliertesten Übersetzer/innen hebräischer Literatur, mit einem umfangreichen übersetzerischen Oeuvre«, teilte das Pressebüro von Kulturstaatsministerin Monika Grütters damals mit.
In den Ruhestand will Achlama erst gehen, wenn es keine Aufträge mehr gibt. »Bisher ist da keine Gefahr«, sagte sie jüngst. Der Kollegenkreis sei überschaubar. Achlama zählt nur eine Handvoll Hebräisch-Deutsch-Übersetzer für Literatur.
Und wie wäre es mal mit einem eigenen Werk? »Ich schreibe nicht. Ausgeschlossen!« Warum? »Weil ich mir nichts ausdenken will.« (mit kna)