Rezension

Ich-Erzählerin mit böser Wunde

Monika Maron gilt als eine der wichtigsten und umstrittensten deutschsprachigen Autorinnen der Gegenwart. Foto: picture alliance / dpa

Erzählungen folgen Ereignissen, erdachten wie tatsächlichen. Das klingt simpel. Dennoch ist literarisch gut zu erzählen natürlich eine Kunst. Eine, die Monika Maron, die seit über 40 Jahren die deutsche, auch deutsch-deutsche Literatur begleitet und mitprägte und die vor drei Jahren ihren 80. Geburtstag feiern durfte, zuverlässig beherrscht. Ihr Erzählstil ist nüchtern, schnörkellos, grenzt ans Berichten und ist doch weit entfernt davon.

Mit einigen Texten, geäußerten Ansichten und harscher Kritik an zum Beispiel den deutschen Medien wie der deutschen Asylpolitik hat Maron in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf sich aufmerksam gemacht und gegen sich aufgebracht.

Ihre neue schmale Erzählung trägt den Titel Die Katze, und eines ist klar nach der Lektüre: Ein Katzenbiss kann hochgefährlich sein. Die Ich-Erzählerin mit der bösen Wunde an der linken Hand ist am Ende des Buches übern Berg, so wie Marons Hand heute wieder die alte ist, was natürlich so nicht ganz stimmt, denn Spuren bleiben immer und Ereignisse verändern.

Maron gibt, sich erinnernd, die Tage, Wochen wieder, an deren Anfang der Fund einer Katze steht, die »zusammengerollt« zwischen den Füßen einer ratlosen »Gruppe von Erwachsenen und Kindern mitten auf der Straße« lag, »nur Fell und Knochen«, aber noch am Leben. Eine kleine Unterbrechung des ländlichen Alltags mit Folgen. Marons Sohn taucht im Text auf, auch andere namentlich genannte Menschen, Ärzte, Professoren.

Lange vor dem Biss hatte die Erzählerin eine Reise geplant, nach Budapest, wo Maron (mit verbundenem Arm) im Frühjahr 2023 an einer Veranstaltung des nicht unumstrittenen »Deutsch-Ungarischen Institut, das zum Mathias Corvinus Collegium gehörte« teilnahm, dort ihr nicht unumstrittenes Buch Artur Lanz vorstellte und anschließend über »die postheroische Gesellschaft sprechen sollte«.

Budapest als Sehnsuchtsort

Budapest ist für sie (wie auch die Ich-Erzählerin) ein »Sehnsuchtsort« geblieben: »Für uns im Osten war Budapest damals, was für Westmenschen Paris oder London oder Rom war.« Monika Maron, die in Berlin geboren wurde und deren Eltern wegen der jüdischen Herkunft der Mutter während der NS-Zeit nicht heiraten durften, hatte die DDR 1988 verlassen.

Zum Mathias Corvinus Collegium heißt es im Text: »Eine genauere Kenntnis über das Mathias Corvinus Collegium habe ich mir erst nachträglich angelesen und erfragt. In den deutschen Medien gilt es als Orbans politische Kaderschmiede, wo staatstreuer Nachwuchs herangezogen wird. (…) Sicher ist das Mathias Corvinus Collegium eine konservative Einrichtung, so wie man von deutschen Universitäten das Gegenteil behaupten kann.«

Nochmal gut gegangen, hätte man nach der geheilten Hand und fast am Ende des Buches sagen können. Wenn die Erzählung auf ihren letzten Seiten von Maron nicht noch eine im deutlich monologischen Ton ein wenig ungemütliche, selbst reflektierende abschließende Passage bekommen hätte.

»Über die üblichen Streitthemen Migration, Corona, Gender ist alles gesagt«

Es geht darin – nach all den durchgestandenen körperlichen Erfahrungen und Anstrengungen - auch ums Altwerden, auch ums Sterben, um Veränderungen: »ich streite mich schon längst nicht mehr. Über die üblichen Streitthemen Migration, Corona, Gender, … ist alles gesagt. (…) Ich erinnere mich nicht, einen Windkraftenthusiasten vom Vorteil der Kernkraft überzeugt zu haben, wie auch niemand meinen Hass auf die Genderei mildern konnte.«

Muss hier unbedingt zum Wort »Hass« gegriffen werden? Und weiter: »Bei Menschen, die ich sowieso nicht schätze, befolge ich den Rat meines zynischen Freundes … Er hielt es eines Tages für angebracht, mir einige aristokratische Lebensregeln beizubringen, und eine davon hieß: Nur wenige sind es wert, dass man ihnen widerspricht.« Solche Sätze klingen verbittert. 

Monika Maron: »Die Katze«. Erzählung, Hoffmann und Campe, Hamburg 2024 16 €

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