Wenn es um die Forschung im Lande geht, sind Israelis selbstbewusst. Sie wissen, dass sie hervorragende Wissenschaftler haben und einen guten Ruf in der Welt genießen. Doch Israel ist ein kleines Land mit begrenzten Mitteln. Internationale Förderungen sind nicht nur gewünscht, sie sind notwendig, um Forschung und Entwicklung am Leben zu halten. Nach dem Eklat um die Teilnahme am europäischen Forschungsförderungsprogramm »Horizon 2020« gibt es nun einen Kompromiss – und Israel ist dabei.
Dass es überhaupt zu einem Streit um den Beitritt gekommen war, lag an den strikten politischen Richtlinien der EU. Entsprechend dieser Regelung dürfen von Israel keine EU-Mittel in den jüdischen Siedlungen des Westjordanlandes, in Ostjerusalem und auf den Golanhöhen verwendet werden. Eine Voraussetzung, gegen die vor allem rechtsgerichtete Politiker wie Avigdor Lieberman von der Partei Israel Beiteinu und Naftali Bennett von Beit Hajehudi scharf protestiert hatten.
Doch die Europäische Union war unerbittlich: ohne die Zustimmung aus Jerusalem keine israelische Teilnahme am Programm. Zunächst hatte sich die Regierung um Benjamin Netanjahu unversöhnlich gezeigt. Und in Wissenschaftlerkreisen brach Panik aus.
Prestige Dabei sind die Richtlinien nicht nur Befürwortern der Siedlungspolitik ein Dorn im Auge. Auch viele gemäßigte Israelis meinen, es sei anmaßend von der EU, derart in israelische Politik eingreifen zu wollen. Doch waren es vor allem Lieberman und Co., die Regierungschef Netanjahu aufforderten, »der EU ihren Vertrag vor die Füße zu werfen und damit zu zeigen, wer hier das Sagen hat«.
Denn die politischen Befindlichkeiten im Land wiegen schwer. Derzeit umso mehr, da die israelische und palästinensische Delegation in Washington um einen Friedensvertrag ringen. Im letzten Augenblick aber wollte Netanjahu offenbar nicht zusätzlich noch eine dauerhafte Auseinandersetzung mit der Europäischen Union zu verantworten haben.
Er lud Fachleute aus der Wissenschaft in sein Jerusalemer Knessetbüro und hörte sich an, was die zu sagen haben. In erster Linie war es der Volkswirt Manuel Trajtenberg, Vorsitzender des Planungskomitees des Rates für Höhere Bildung, der klare Worte fand. Ein Anwesender zitierte ihn anschließend mit den Worten, würde Israel nicht an Horizon 2020 teilnehmen, wäre das für die israelische Forschungslandschaft »das Ende aller Tage. Nicht einmal der Teufel könnte sich einen derartigen Schlag ausdenken, dem Israel dann ausgesetzt wäre.«
kompromiss Ganz so emotional würde es der Physiker David Zachar aus Tel Aviv nicht ausdrücken, doch auch er glaubt, es hätte niemals zur Debatte stehen dürfen, dem prestigeträchtigen Programm den Rücken zu kehren. »Allein die Summe macht die Entscheidung leicht.«
Horizon 2020 hat ein Gesamtbudget von 70 Milliarden Euro, für Gemeinschaftsprojekte zwischen israelischen und europäischen Wissenschaftlern stehen mehrere Hundert Millionen Euro zur Verfügung. »Viele Politiker haben überhaupt keine Ahnung, wie bedeutsam dieses Geld für die Forschung ist und wie wichtig internationale Kooperationen in der Wissenschaft sind«, schimpft Zachar.
Doch offenbar hatte Netanjahu doch eine Ahnung. Er gab seiner Justizministerin Zipi Livni grünes Licht, die Bedingungen für einen Kompromiss zu formulieren. Dennoch wollte er politisch nicht sein Gesicht verlieren und gänzlich klein beigeben. Also enthielt die Einigung nicht nur die vollständige Annahme der EU-Richtlinien seitens Israels, sondern auch einen Passus, der »die politischen Empfindlichkeiten des Nahoststaates sowie den Erhalt seiner prinzipiellen Position« akzeptiert. Mit anderen Worten: Man einigte sich darauf, sich nicht einig zu sein. Diese Geste dürfte von der EU nicht zu viel verlangt gewesen sein, schließlich profitiert auch sie vom israelischen Innovationsgeist.
Milliarden Die erreichte Einigung wurde mit einer gemeinsamen Erklärung der Verhandlungsführerinnen Zipi Livni und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton veröffentlicht. Letztlich wurde ein Deal geschlossen, der sogar über Horizon 2020 hinausgeht. Denn er ebnet zudem die Teilnahme an weiteren EU-Programmen, die ab Januar 2014 gestartet werden. Israel ist damit weiterhin das einzige nichteuropäische Mitglied in der milliardenschweren Nachfolge des »Research Framework Program«.
Und Israels Wissenschaftlergemeinde atmet auf. Auch die Deutsche Technion-Gesellschaft begrüßt die Einigung und insbesondere die Teilnahme der israelischen Wissenschaftler am Programm, das in den kommenden sieben Jahren die Basis für viele erfolgreiche Kooperationen deutscher und israelischer Wissenschaftler mit ihren europäischen Kollegen sein wird, heißt es. Das American Jewish Committee wertet die Ankündigung als wichtiges Signal für die Bedeutung der europäisch-israelischen Beziehungen.
Immer wieder hatten israelische Universitätsvertreter in den Medien verdeutlicht, wie bedeutend das Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäer sei. Der Biologe Ehud Schapiro vom renommierten Weizmann-Institut in Rechowot meint, dass Wissenschaft nicht auf Landesgrenzen beschränkt sein dürfe. »Wir Wissenschaftler sind eine internationale Gemeinde, arbeiten und forschen zusammen.«