Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller fordert die Gründung eines »Exilmuseums« in Berlin. Viele Bereiche der NS-Zeit wie die Verbrechen der Nazis, die Konzentrationslager, der industrialisierte Mord oder das Militär seien heute museal aufgearbeitet, sagte Müller der »Berliner Morgenpost«.
Aber das Exil ab 1933, die Vertreibung von Hunderttausenden Deutschen ins Ausland, sei eine Leerstelle in der Museumslandschaft. »Es ist wie eine stillgestellte Zeit, die wir bis heute nicht an uns heranlassen«, sagte die Schriftstellerin. Deutschland stehe nicht gut da. Die Leerstelle sei die Verlängerung des Verschweigens.
flucht Es gebe zwar eine Reihe von Exilforschungen wie beispielsweise das Deutsche Exilarchiv in Frankfurt am Main. Es gebe aber keinen großen Ort, an dem Flucht und das Exil dargestellt werden als Teil der deutschen Geschichte, sagte Müller. Dabei gehe es nicht nur um prominente Namen wie Thomas Mann, sondern auch um die Millionen kleiner Leute, die ihre Berufe hatten, ihre Wohnung. Die plötzlich ihr Leben retten und alles stehen und liegen lassen mussten. »Für solche Biografien muss es ein Museum geben«, forderte Müller.
Das 2011 vom damaligen Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) ins Leben gerufene virtuelle Museum »Künste im Exil« im Internet ersetze nicht einen Ort, »an den wir gehen können und wo Gegenstände und Dokumente gezeigt werden«, sagte Müller. Sie denke auch an die Nachkommen der Exilanten, an ihre Enkel, die in der Welt verstreut sind. »Wenn sie in die Heimat ihrer Großeltern kommen und etwas über deren Schicksal erfahren möchten – wo bitte sollen sie hingehen?«
Man könne das Problem auch nicht der jüdischen Gemeinschaft überlassen. Es seien nicht nur Juden aus Deutschland geflohen. Auch demokratische Politiker oder moderne Künstler, die als »entartet« galten, konnten in Nazi-Deutschland nicht mehr leben. Beispielsweise seien der Maler Max Beckmann oder der Politiker Willy Brandt nicht jüdisch gewesen. »Das, was man den Menschen damals angetan hat, die fliehen mussten, haben wir noch nicht angepackt in unserer Erinnerungskultur«, so Müller. epd