Historiker sollen die Geschichte der Illustrierten »Stern« auf Verbindungen zur NS-Zeit durchleuchten. Besonders der Umgang des früheren »Stern«-Chefredakteurs Henri Nannen (1913-1996) mit dem Nationalsozialismus wird nun zum Forschungsgegenstand für das renommierte Institut für Zeitgeschichte.
Der Medienkonzern Bertelsmann hat die Wissenschaftler mit der unabhängigen Untersuchung beauftragt, wie das Mutterhaus des »Stern« am Montag mitteilte. Bertelsmann reagiert damit auf die Debatte um die NS-Vergangenheit Nannens.
»Der Forschungszeitraum wird die Jahre ab Gründung des »Stern« durch Henri Nannen 1948 bis zu dessen Ausscheiden 1983 umfassen«, erläuterte eine Sprecherin. »Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach politischen, personellen und inhaltlichen Verflechtungen und Verbindungen zur Zeit des Nationalsozialismus. Aufbauend auf bereits bestehender Forschung sollen weitergehende Analysen vorgenommen werden, etwa zu Themen, Texten und der Bildsprache des »Stern«.« Das umfangreiche Bildarchiv, das 2018 der Bayerischen Staatsbibliothek zur Erschließung übergeben worden war, solle dabei einbezogen werden.
Im Mai hatte ein Beitrag des Rechercheformats »STRG_F« des Norddeutschen Rundfunks (NDR) mit Details zur Vergangenheit des Ex-»Stern«-Chefredakteurs und Magazininitiators Nannen im Zweiten Weltkrieg die Debatte angestoßen. Der Nannen Preis für herausragenden Journalismus war daraufhin einmalig als »Stern Preis« verliehen worden.
Zu der jetzt initiierten Untersuchung hieß es weiter, der Vorstand von Bertelsmann habe »in Übereinstimmung und enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Tochterfirmen und Institutionen« gehandelt. Dazu zählten die Geschäftsführung von RTL Deutschland, unter dessen Dach der »Stern« seit einem Konzernumbau angesiedelt ist, die »Stern«-Chefredaktion und die Henri-Nannen-Schule für Journalismus.
»Mit der Analyse der »Stern«-Geschichte wollen wir einen Beitrag zur Mediengeschichte der jungen Bundesrepublik ermöglichen«, ergänzte Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe. »Wir freuen uns sehr, das Institut für Zeitgeschichte hierfür als unabhängigen Partner gewonnen zu haben, den wir in seiner Arbeit vorbehaltlos unterstützen werden.«
Ziel ist laut Mitteilung, »eine sachliche Grundlage für die öffentliche Debatte zu schaffen, bereits bestehende Forschungen zu ergänzen und damit den aktuellen Kenntnisstand zur Geschichte des deutschen Journalismus nach 1945 um eine fundierte Analyse zu erweitern«. Man setze auf offenen Austausch und Transparenz, so Bertelsmann. »Angedacht ist unter anderem eine wissenschaftliche Tagung, auf der eine erste Bestandsaufnahme vorgenommen werden könnte. Alle für den historischen Forschungsprozess relevanten Quellen werden dem Institut für Zeitgeschichte zur Verfügung gestellt.«
Angesiedelt sei die Forschungsarbeit beim stellvertretenden Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Prof. Magnus Brechtken. Dieser gilt als ausgewiesener Experte für die Auseinandersetzung mit dem NS-Erbe.