Sport

Helden und Bonzen

Blickt in seinem Buch zurück und nach vorne: der Sportreporter Marcel Reif Foto: PR

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Helden und Bonzen

Marcel Reif plaudert über sein Fußballleben

von Martin Krauss  21.03.2017 11:15 Uhr

Eine Autobiografie ist es nicht, die der Sportreporter, der als Marek Nathan Reif geboren wurde, vorgelegt hat. Nachspielzeit trägt den Untertitel »Ein Leben mit dem Fußball«, und auch das trifft es weniger. Was Marcel Reif in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Holger Gertz von der Süddeutschen Zeitung geschrieben hat, ist am ehesten eine Mischung aus »Wie es wirklich war«, »Junge Leute, aufgepasst!« und »How did you do it?«.

Reif stellt dar, wie er Diego Maradona und die Eishockeylegende Wayne Gretzky traf. Helden für ihn, doch das Buch beginnt mit der Ehrung einer anderen Persönlichkeit: Berthold Beitz, der Krupp-Manager und Olympiafunktionär, der Reifs Vater während der Schoa aus dem Zug, der ihn ins Vernichtungslager bringen sollte, gerettet hat. »In Relation zu denen dann auch noch auf dem Fußballplatz Helden finden zu sollen, das ist ein bisschen viel verlangt«, verschafft sich Reif die nötige Distanz.

Selbstironie Diese professionelle Distanz zeichnete Reif, mittlerweile im Ruhestand, aus, wenn er für ZDF, RTL oder Sky kommentierte. Mit einer gewissen Eitelkeit, die doch auch zur Selbstironie fähig ist, zitiert er einen Fan, der ihm einmal schrieb: »Unter den Arschgeigen bist du die Stradivari.«

Überhaupt, die Eitelkeit. Zum Buchtext gehören Interviews, die Co-Autor Gertz mit Reif geführt hat, und als es um emotionale Proteste von Fans geht, formuliert Reif: »Shitstorms gehen mir da vorbei, wo sie hingehören: am Arsch.« Und fügt hinzu: »Geiles Bild, oder?« Reif gefällt sich in der Rolle dessen, der anderen etwas mit auf den Weg zu geben hat. »Ich habe den jungen Kollegen immer gesagt: Auch wenn ihr zu Hause redet, redet so, dass es erträglich ist.«

Reif räsoniert, sich als alter Weiser des Sportjournalismus präsentierend, über Uli Hoeneß’ Rückkehr nach der Haft, über den Hass, der RB Leipzig entgegenschlägt, oder er sinniert über »Geldmeisterschaft« und die Fifa. Doch da kommt leider nur ein Schimpfen auf »Funktionäre und Bonzen«. Reifs Buch ist da schwach, wo er sich als Grandseigneur und Intellektueller präsentiert. Es ist sensationell gut, wo er über sich, seine Familie und die Bedeutung des Fußballs für sein Leben berichtet. Als Kind ist er – über den Umweg Tel Aviv – von Polen nach Kaiserslautern gekommen. Er sprach nur Schlesisch, Polnisch und Jiddisch. Und er beherrschte Fußball – die Sprache, die ihm die Welt geöffnet hat. Und über die er jetzt geschrieben hat.

Marcel Reif, Holger Gertz: »Nachspielzeit. Ein Leben mit dem Fußball«. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017, 240 S., 19,99 €

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