Mitte Mai hat in Istanbul eine Konferenz stattgefunden, die sich mit Sprache und Literatur der sefardischen Juden im Osmanischen Reich und in der modernen Türkei beschäftigte. Karen Gerson Sarhon hielt einen Vortrag über die heutige Situation der judäo-spanischen Sprache (Ladino) in der Türkei. Gerson Sarhon ist die Gründerin und Leiterin des »Ottoman-Turkish Sephardic Culture Research Center« in Istanbul (www.istanbulsephardiccenter.com).
Seit vielen Jahren erforscht sie diese Sprache, die die ab 1492 aus Spanien vertriebenen Juden, die sich daraufhin unter anderem im Osmanischen Reich niederließen, mitbrachten. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte das Ladino, durch das Abgetrenntsein vom spanischen Sprachraum, zahlreiche sprachliche Eigenheiten. Es wurde zum Medium einer erblühenden jüdischen Kultur im Osmanischen Reich.
chronik In einer weiteren Präsentation behandelte der Turkologe Laurent Mignon von der Universität Oxford das Thema osmanisch-türkischsprachiger Texte, die von Juden in hebräischen Buchstaben gedruckt wurden. Bereits im 15. Jahrhundert erschien eine anonyme osmanische Chronik in hebräischen Raschi-Buchstaben. Ab 1867 gab es in Istanbul und Izmir eine Reihe von Periodika, die ebenfalls in Raschi-Schrift gedruckt wurden. Der Sprachenfrage kam laut Mignon im Prozess der gesellschaftlichen Emanzipation der osmanischen Juden eine ähnliche Bedeutung zu, wie dies für die Juden Deutschlands im 19. Jahrhundert der Fall war.
Diese Veranstaltung war die vierte und abschließende Zusammenkunft einer ganzen Konferenzreihe, die im November 2013 begonnen hatte und etwa alle zwei Monate stattfand. Themen bisheriger Veranstaltungen waren unter anderem griechische und armenische Minderheiten im Osmanischen Reich und deren türkischsprachige, aber in Lettern des griechischen beziehungsweise armenischen Alphabets gedruckte Texte.
tagungsort Stattgefunden hat die Konferenzreihe im Gebäudekomplex des griechischen Konsulats und mit dessen aktiver Förderung. Der Tagungsort des angeschlossenen griechischen Kulturzentrums »Sismanoglio Megaro« liegt in der Istiklalstraße, einer beliebten Flaniermeile, an deren Ende sich die Neve-Shalom-Synagoge befindet.
Diese beherbergt die größte Synagogengemeinde der Türkei und erlangte durch einen Terroranschlag mit mehr als 20 Toten an einem Schabbat im November 2003 weltweit traurige Bekanntheit. Wiederum nicht allzu weit entfernt befindet sich auch das jüdische Museum (www. muze500.com). Der Stadtteil Beyoglu ist generell reich an jüdischen Stätten und Organisationen. So findet man hier auch den jüdischen Buchverlag Gözlem.
Leseempfehlung: Der Artikel von Laurent Mignon »Avram, Isak and the Others – Notes on the Genesis of Judeo-Turkish Literature«, in: Mehmet Balta/Evangelia Ölmez (Hg.): »Between Religion and Language: Turkish-Speaking Christians, Jews and Greek-Speaking Muslims and Catholics in the Ottoman Empire«. Eren, Istanbul 2011, 411 S.