Konzert

Hebräisch mit Piano

Es ist nicht einfach, das Apartment von Rami Kleinstein im Norden Tel Avivs ausfindig zu machen. Kein Klingelschild weist in dem mehrstöckigen noblen Wohnblock gleich neben dem kleinen Stadtflughafen Sde-Dov auf den prominenten Nachbarn hin, der oft als »israelischer Elton John« bezeichnet wird. Journalistenbesuch aus dem Ausland bekommt der 48-Jährige selten. Anders als viele seine Musikerkollegen drängt es ihn nicht auf den internationalen Markt. »Ich bin Israeli, wenn auch mit amerikanischen Hintergrund«, sagt der kahlköpfige Popstar. »Ich hatte nie das Bedürfnis, im englischsprachigen Raum mein Glück zu versuchen wie Noa oder David Broza.« Kleinstein glaubt nicht, dass hebräischsprachige Songs außerhalb der Heimat funktionieren. Und für ihn ist seine Sprache wichtig, trotz aller Universalität der Musik. »Ich erwarte nicht, dass jemand, der nicht Hebräisch spricht, sich für meine Lieder interessiert, aber jeder ist herzlich willkommen.«

deutsche wurzeln Auch bei seiner Deutschlandpremiere an diesem Donnerstag, wenn Rami Kleinstein bei den Jüdischen Kulturtagen in Berlin auftritt. »Ich war vor einigen Monaten mit meiner Freundin zu Besuch in Berlin und finde die Stadt großartig«, schwärmt er, während er Kaffee und kalte Getränke serviert. Deutschland kennt der Sänger und Pianist gut. Seine Familie stammt von hier, die Mutter sogar aus Berlin. Über die USA, wo Kleinstein geboren wurde und einige Jahre aufwuchs, wanderten die Eltern nach Israel aus, fuhren jedoch immer wieder zu Besuchen nach Deutschland, so dass Kleinstein fast vertraut von kleinen Städten in Südwestdeutschland spricht.

Kleinsteins musikalisches Talent wurde früh entdeckt und gefördert. Er nahm Klavierunterricht bei den Eltern von Daniel Barenboim, die mit den Kleinsteins befreundet waren. Zu dem berühmten Sohn der Familie habe er allerdings nie eine Beziehung aufgebaut, sagt Kleinstein. Allerdings, fügt er an, ehren würde es ihn schon, wenn der berühmte Dirigent zu seinem Konzert in die Synagoge in der Rykestraße kommen würde.

Erste eigene Songs schrieb Kleinstein im zarten Alter von zwölf Jahren. Inzwischen gilt er als einer der erfolgreichsten und produktivsten Komponisten und Sänger des Landes. Über ein Dutzend Alben hat er bis heute veröffentlicht – mal solo, mal mit seiner Band, mit der er auch in Berlin auftritt, früher auch häufig im Duett mit der Sängerin Rita, die bis zu ihrer öffentlich groß inszenierten Scheidung 2007 Kleinsteins Ehefrau war. Viele seiner Lieder wurden ausgezeichnet, Kleinstein mehrfach als Künstler des Jahres geehrt. Sein Markenzeichen sind Liebeslieder, die er in zärtliches und gleichzeitig ausdruck-starkes Klavierspiel bettet.

heimatgefühle Auf Berlin ist Kleinstein auch gespannt wegen der Herausforderung, vor einem Publikum zu spielen, von dem viele ihn nicht kennen. »Das ist wie ein leeres Blatt Papier«, sagt er. Wobei er weiß, dass in der deutschen Hauptstadt zahlreiche seiner Landsleute leben. Konzerte vor Auslandsisraelis »haben immer eine ganz besondere Atmosphäre«, sagt der Sänger. »Denn ich bringe ja etwas von ihrer Kultur.«

Wer Konzerte von Kleinstein erlebt hat, weiß, dass sie von seiner Kommunikationsfreude leben, von kleinen Anekdoten, die er erzählt, seinem subtilem Humor, den Einblicken in sein persönliches Leben und Begebenheiten der israelischen Geschichte. Wobei bei dem Berliner Auftritt Politik außen vor bleiben soll. »Die Probleme müssen zu Hause gelöst werden. Ich denke nicht, dass Künstler die geeigneten Menschen sind, um im Ausland Rede und Antwort zu stehen.« Auch das unterscheidet Kleinstein von manchen seiner israelischen Musikerkollegen.

Rami Kleinstein & Band treten am Donnerstag, den
2. September, 20 Uhr in der Synagoge Rykestrasse auf.

www.juedische-kulturtage.org

Aufgegabelt

Mazze-Sandwich-Eis

Rezepte und Leckeres

 18.04.2025

Pro & Contra

Ist ein Handyverbot der richtige Weg?

Tel Aviv verbannt Smartphones aus den Grundschulen. Eine gute Entscheidung? Zwei Meinungen zur Debatte

von Sabine Brandes, Sima Purits  18.04.2025

Literatur

Schon 100 Jahre aktuell: Tucholskys »Zentrale«

Dass jemand einen Text schreibt, der 100 Jahre später noch genauso relevant ist wie zu seiner Entstehungszeit, kommt nicht allzu oft vor

von Christoph Driessen  18.04.2025

Kulturkolumne

Als Maulwurf gegen die Rechthaberitis

Von meinen Pessach-Oster-Vorsätzen

von Maria Ossowski  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Ausstellung

Das pralle prosaische Leben

Wie Moishe Shagal aus Ljosna bei Witebsk zur Weltmarke Marc Chagall wurde. In Düsseldorf ist das grandiose Frühwerk des Jahrhundertkünstlers zu sehen

von Eugen El  17.04.2025

Sachsenhausen

Gedenken an NS-Zeit: Nachfahren als »Brücke zur Vergangenheit«

Zum Gedenken an die Befreiung des Lagers Sachsenhausen werden noch sechs Überlebende erwartet. Was das für die Erinnerungsarbeit der Zukunft bedeutet

 17.04.2025

Bericht zur Pressefreiheit

Jüdischer Journalisten-Verband kritisiert Reporter ohne Grenzen

Die Reporter ohne Grenzen hatten einen verengten Meinungskorridor bei der Nahost-Berichterstattung in Deutschland beklagt. Daran gibt es nun scharfe Kritik

 17.04.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  16.04.2025