Herr Jauch, der legendäre TV-Moderator Hans Rosenthal würde am 2. April seinen 100. Geburtstag feiern. Welche Erinnerung haben Sie an ihn?
Er war schon in meiner Kindheit ein Idol. Ich war immer schon ein totaler Radiofan. Rosenthal hatte jede Woche im RIAS Berlin eine Sendung mit dem Titel »Das klingende Sonntagsrätsel«. Da wurden Musikstücke abgespielt und Fragen dazu gestellt. Aus den richtigen Buchstaben ergab sich dann ein Lösungswort. Das konnte man auf einer Postkarte einsenden und mit Glück etwas gewinnen. Ich fand diese Sendung als Jugendlicher sehr interessant.
Sie lebten damals beide in West-Berlin. Kannten Sie ihn persönlich?
Nein. Aber es gab eine direkte Verbindung: Meine Schwester ging mit seinem Sohn Gert in eine Klasse. Ich meine auch, mich an die Adresse in Lichterfelde zu erinnern. Wenn ich da vorbeikam, dachte ich immer: Da wohnt der Hans Rosenthal, und sein Sohn geht mit meiner Schwester in die Klasse.
War Ihnen Rosenthals Schicksal als Jude in der Nazi-Zeit bekannt?
Damals noch nicht. Ich erfuhr erst viel später, dass er versteckt in einer Schrebergartenkolonie den Holocaust überlebte. Er hat ja immer vermieden, darauf zu rekurrieren – bis auf einmal, am 9. November 1978. Da musste er ausgerechnet am 40. Jahrestag der Novemberpogrome seine »Dalli Dalli«-Sendung machen. Das fand er nicht lustig. Er hat es trotzdem gemacht, die Sendung aber im dunklen Anzug moderiert.
Mit »Dalli Dalli« wurde Rosenthal einem großen Publikum bekannt. Sie selbst waren im Juni 1983 in der Quizsendung zu Gast, zusammen mit Vera Russwurm. Erinnern Sie sich noch daran?
Ich habe die Sendung seitdem nicht mehr gesehen und fast keine Erinnerung mehr daran. Ich weiß aber noch, dass die vierstellige Tafel, die unsere Punkte anzeigte, nicht mehr ausreichte, weil wir eine fünfstellige Punktezahl einfuhren.
In der Tat. Sie schafften zusammen 12.320 Punkte und bekamen für Ihre Leistung gleich mehrfach den berühmten Luftsprung Rosenthals zu sehen und den Satz »Sie sind der Meinung, das war spitze!« Warum waren Sie so gut?
Das hing wohl damit zusammen, dass Vera Russwurm und ich noch sehr jung waren. Wir waren ein bisschen schneller im Kopf als so manch einer der ältereren Semester, die dort sonst zu Gast waren.
Wie war Hans Rosenthal hinter den Kulissen?
Er war sehr, sehr nett. Nicht nur mit mir, sondern mit allen Beteiligten der Sendung - und auch schon in der Probe. Es war meine erste Begegnung mit ihm. Er interessierte sich sehr für mich und mein Leben. Was mich später aber gewundert hat, war die Tatsache, dass er im Krieg von einer Frau namens Ida Jauch versteckt worden war. Im Nachhinein dachte ich mir, er hätte mich eigentlich mal fragen können, ob ich mit dieser Frau verwandt oder verschwägert sei, der Name Jauch ist ja relativ selten in Deutschland. Er schnitt das Thema aber nicht an, weder auf der Bühne noch im persönlichen Gespräch. Ich an seiner Stelle hätte wahrscheinlich mal nachgefragt.
War er verschlossen in Bezug auf das Erlebte während des Zweiten Weltkriegs?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber soviel ist sicher: Er trug sein Jüdischsein nicht vor sich her und redete nicht öffentlich über das, was ihm angetan worden war. Erst später erfuhr ich, dass er es im Familienkreis durchaus thematisiert hatte. So sagte er, dass unter den Menschen, die ihm da jetzt zujubelten, ihn im Dritten Reich sicher einige als Juden denunziert hätten. Er war auch immer sehr kritisch und distanziert gegenüber dem Hype, der um seine Person gemacht wurde. Das war gut so.
Was hat Rosenthals große Popularität ausgemacht?
Er machte nie Scherze auf Kosten anderer. Die Spiele, die bei ihm in der Sendung stattfanden, waren ja immer so etwas wie ein Kindergeburtstag für Erwachsene. Da hätte es sich angeboten, die Gäste etwas lächerlich zu machen, sich über sie zu erheben oder auf ihre Kosten Witze zu machen. Das hat er nie gemacht. Wenn jemand ganz fürchterlich verloren hatte oder rein gar nichts wusste, war er trotzdem immer »zweiter Sieger«. Ich glaube, diese ausnehmende Freundlichkeit, diese Fairness, vielleicht auch ein bisschen die Harmlosigkeit, die seinen Sendungen anhaftete, fiel beim Publikum auf fruchtbaren Boden.
Sie haben später ähnliche TV-Sendungen moderiert. War Rosenthal war für Sie so etwas wie ein Vorbild?
Durchaus. Zum Beispiel, was die Art und Weise angeht, wie er jedem Menschen fair begegnete und versuchte, alle gleich zu behandeln. Oder wie er Fingerspitzengefühl zeigte, wenn seine Gäste aufgeregt waren, weil sie im Studio mit Kettcars von links nach rechts fahren oder irgendwelche Bauklötze aufeinanderschichten mussten. Im Fernsehen ist die Fallhöhe, sich lächerlich zu machen, relativ groß. Hans Rosenthal hat sich immer schützend vor alle seine Protagonisten gestellt. Das hat sich mir eingeprägt. Sich davon eine Scheibe abzuschneiden, war und ist ganz sicher kein Fehler.
Hätte Rosenthal heute mit seiner Art, Fernsehen zu machen, noch Erfolg?
Das ist eine gute Frage, die nur schwer zu beantworten ist. Irgendwann laufen sich Sendungen wie »Dalli Dalli« tot, sie gelten plötzlich als harmlos. Man darf auch nicht vergessen: Als Rosenthal 1987 starb, steckte das Privatfernsehen noch in den Kinderschuhen. Er hat nicht mehr miterlebt, wie es zu einer ernsthaften Konkurrenz für die öffentlich-rechtlichen Anstalten heranwuchs. Ich weiß nicht, was das Aufkommen des kommerziellen Fernsehens mit ihm gemacht hätte, ob er dann resigniert oder sich an die neuen Verhältnisse angepasst hätte. Er war ja auch immer ein Tüftler und Spieleerfinder. Er probierte neue Spiele immer in seiner eigenen Familie vorher aus. Ob er sich dann umorientiert hätte? Ich kann es nicht einschätzen.
Mit dem TV-Moderator sprach Michael Thaidigsmann.