Ausstellung

Haben alle Juden große Nasen?

Mit welchen Fragen geht man in ein jüdisches Museum? Und unterscheiden sich die Fragen von Juden von jenen der Nichtjuden? In der Villa Rosenthal, dem Jüdischen Museum von Hohenems im westösterreichischen Bundesland Vorarlberg, wird jetzt bis zum 7. Oktober mit diesem Metathema intellektuell jongliert.

Hanno Loewy, der Direktor des Hauses, und Gastkurator Hannes Sulzenbacher aus Wien haben auf Grundlage einer empirischen Erhebung 23 Fragen zum Thema Judentum ausgewählt und versuchen, sie bewusst antididaktisch zu beantworten. Es wird ein »Spiel von Mehrdeutigkeiten« (Loewy) aufgeblättert, alles besitzt einen, so Sulzenbacher, »Kartenhaus-Charakter«. Oft genug entlarven die Fragen Klischees und Vorurteile.

Sulzenbacher hatte 2008 bereits die Ausstellung »Typisch! Klischees von Juden und anderen« kuratiert, die außer in Hohenems auch in Wien, Berlin und München zu sehen war. Durchaus typisch muten etwa Fragen an wie: Ist die Diaspora gut oder schlecht? Gehören alle Juden nach Israel? Müssen Juden immer wandern? Darf man eigentlich Jude sagen?

Witze Warum ist es so schwer, mit Juden über Israel zu diskutieren, beziehungsweise: Warum ist es so schwer, mit Nichtjuden über Israel zu diskutieren? Haben alle Juden große Nasen? Und warum werden Juden beschnitten? Wie wird man so geschäftstüchtig wie sie? Darf man über die Schoa Witze machen? Warum wurden immer die Juden verfolgt?

All diesen Fragen gemeinsam ist: Sie sind ernst gemeint. Beantwortet werden sie in der Ausstellung mit unterschiedlichen, überwiegend ernsten Zitaten, die in sich mal widersprüchlich argumentieren, dann wieder weiterführen. Den Erläuterungen zugeordnet sind Objekte vom Sederteller über ein medizinisches Beschneidungsset bis zu zeitgenössischen Kunstwerken wie einer Fotografie von Adi Nes aus seiner Aufsehen erregenden »Soldiers Series«.

Und immer wieder scheinen Witz und Ironie durch. Gerade an diesen Stellen merkt man, welches Vergnügen es Loewy und Sulzenbacher gemacht haben muss, Woody Allen-Filme älteren Datums (von denen ein halbes Dutzend im umfangreichen Begleitprogramm gezeigt wird) zu begutachten oder Friedrich-Hollaender-Chansons anzuhören.

enge Doch nicht alles wird auf gleicher unterhaltsamer und gleicher ästhetischer Höhe verhandelt. Dafür sind die den Sektionen des überschaubaren Parcours zugeordneten Exponate zu disparat. Zudem unterbindet dies auch die Ausstellungsarchitektur, die das Spielerische wörtlich nimmt.

Die oft nicht allzu großen Ausstellungsvitrinen sind eingelassen in übermannsgroße Aufsteller aus überzogener Pappe, die wie Spielkarten aussehen, die sich am oberen Ende gegenseitig stützen. Die beengten Räumlichkeiten erzwingen auch, dass im Schlussraum Yael Bartanas faszinierende suggestive »And Europe will be stunned« nur in einer reduzierten Fassung zu sehen ist.

Die vorigen Sommer auf der Biennale von Venedig als Beitrag Polens vorgestellte Videoarbeit sorgte damals für Furore: Ein fiktiver polnischer Politiker ruft die Juden auf, zurückzukehren, damit in Polen eine echte zivile Gesellschaft entstehen kann. Von Bartanas filmischem Triptychon wird in Hohenems leider nur einer von drei Teilen gezeigt.

Mit mehr Fragen denn Antworten entlässt am Ende die einem Zettelkasten entsprungene, leseintensive Schau ihre Besucher. Was vielleicht nicht das Schlechteste ist. Und den Museumspädagoginnen mehr Arbeit als gewöhnlich beschert. Denn ganz zum Schluss stellt sich als Nummer 24 die Frage: Geht man ins Museum, um etwas zu lernen – oder um sich produktiv durcheinanderbringen zu lassen?

»Was Sie schon immer über Juden wissen wollten ... aber nie zu fragen wagten«. Jüdisches Museum Hohenems, bis 7. Oktober

www.jm-hohenems.at

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Imanuels Interpreten (8)

Carly Simon: Das Phänomen

Die Sängerin und Songschreiberin mit jüdisch-deutschem Familienhintergrund führt ein aufregendes, filmreifes Leben – Verbindungen zu einer singenden Katze, einem rollenden Stein, zu Albert Einstein und James Bond inklusive

von Imanuel Marcus  24.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus  24.04.2025