Theologie

Guter Gott, böser Gott

Licht oder Dunkel? Foto: JA

Der Mainzer Theologe Sebastian Moll gibt in seinem Buch Die christliche Eroberung des Alten Testaments einen knappen Überblick über den Umgang der Christen mit ihrer Herkunftsbibel. In angenehm witziger Sprache erzählt Moll von den frühen Kirchenvätern und ihren unterschiedlichen Lösungsansätzen für den Umgang mit der jüdischen Bibel. Marcion und Ptolemäus etwa schrieben im 2. Jahrhundert u.Z. die Ursprungsbibel schlicht einem anderen Gott als dem ihren zu. Das Christentum hätte demnach einen neuen eigenen Gott, der mit dem Gott der Juden nichts gemein hat.

Um die Sichtweise Marcions zu veranschaulichen, greift Moll leider in eine alte antijudaistische Schublade und zitiert einen der »berühmtesten Kontraste« zwischen beiden Büchern: »Im Alten Testament heißt es ‹Auge um Auge, Zahn um Zahn’, im Neuen Testament aber heißt es ‹wenn dich jemand auf deine rechte Wange schlägt, dem biete auch die andere dar’.«

heilsplan Dieses Zitat wird bis heute benutzt, um Juden und ihren Gott als rachsüchtig zu kennzeichnen. Ajn tachat ajn (Auge für Auge) hat aber eine ganz andere Bedeutung, nämlich als Grundlage für Ausgleichs- und Vergleichsfälle. Das findet bei Moll aber keine Erwähnung. Im weiteren Verlauf beschreibt Moll die Haltungen anderer Theologen des 2. Jahrhunderts zu ihrer Herkunftsbibel. Apelles wertete sie als Märchenbuch ab. Justin behauptete, dass es sich beim Gott der Juden und der Christen zwar um denselben handelt, dass aber der Bund mit den Juden hinfällig sei, weil die Juden ein sündhaftes und hartherziges Volk wurden. Für Irenäus von Lyon gehört das »alte Testament« allein den Christen, die Juden haben sich »von der Offenbarung Gottes abgewandt«. Hinzu kommt bei ihm der Vorwurf des »Gottesmords«, der jedoch im Heilsplan Gottes mit vorgesehen sei.

Dann springt Moll ins 20. Jahrhundert zu Adolf von Harnack, dem er ein positives Bild von Juden und ihrer Bibel attestiert, obwohl Harnack das alte Testament »den Juden zurückgeben« wollte, da ihm die »kanonische Autorität nicht gebührt«. Auch aktuelle Fragen greift Moll auf. So kritisiert er die Erklärung der evangelischen Kirche, Juden nicht missionieren zu wollen, weil »nicht etwa theologische oder exegetische Erkenntnisse ... zu dieser Neuinterpretation des Alten Testaments ... geführt haben, sondern die politisch-gesellschaftliche Atmosphäre unseres Landes«. Wenn man von der fragwürdigen Begründung einmal absieht, muss man zugeben: Das ist ein Einwand, der rein wissenschaftlich gültig sein könnte – aber soll man eine exegetisch »korrekte« Theologie, die eben judenfeindlich ist, beibehalten, nur weil sie sich theologisch glatt begründen lässt?

überblick Molls Versuche, die Ablehnung des alten Testaments durch Christen als judenfreundlicher darzustellen als dessen vollständige Vereinnahmung, sind nicht überzeugend. Die bittere Wahrheit ist, dass sowohl die Ablehnung als auch die Vereinnahmung der Ursprungsbibel mit judenfeindlichen Begründungen einherging. Dennoch ist das Buch durchaus empfehlenswert. Es bietet nämlich tatsächlich einen guten kurzen Überblick über die frühchristlichen Denker und einen guten Einblick in das heutige Verständnis eines jungen Theologen, der ganz in der Tradition des protestantischen Bürgertums um seine Beziehung zu den Juden ringt.

Sebastian Moll: Die christliche Eroberung des Alten Testaments, Berlin University Press, Berlin 2010, 80 S., 19,90 €

Antisemitismus

Gert Rosenthal: »Würde nicht mit Kippa durch Neukölln laufen«

Die Bedrohung durch Antisemitismus belastet viele Jüdinnen und Juden. Auch Gert Rosenthal sieht die Situation kritisch - und erläutert, welche Rolle sein Vater, der Entertainer Hans Rosenthal, heute spielen würde

 01.04.2025

Berlin

Hans Rosenthal entdeckte Show-Ideen in Fabriken

Zum 100. Geburtstag des jüdischen Entertainers erzählen seine Kinder über die Pläne, die er vor seinem Tod noch hatte. Ein »Dalli Dalli«-Nachfolger lag schon in der Schublade

von Christof Bock  01.04.2025

Künstliches Comeback

Deutschlandfunk lässt Hans Rosenthal wiederaufleben

Der Moderator ist bereits 1987 verstorben, doch nun soll seine Stimme wieder im Radio erklingen – dank KI

 01.04.2025

Interview

Günther Jauch: »Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit«

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  01.04.2025

Jubiläum

Immer auf dem Sprung

Der Mann flitzte förmlich zu schmissigen Big-Band-Klängen auf die Bühne. »Tempo ist unsere Devise«, so Hans Rosenthal bei der Premiere von »Dalli Dalli«. Das TV-Ratespiel bleibt nicht sein einziges Vermächtnis

von Joachim Heinz  01.04.2025

TV-Legende

Rosenthal-Spielfilm: Vom versteckten Juden zum Publikumsliebling

»Zwei Leben in Deutschland«, so der Titel seiner Autobiografie, hat Hans Rosenthal gelebt: Als von den Nazis verfolgter Jude und später als erfolgreicher Showmaster. Ein Spielfilm spürt diesem Zwiespalt nun gekonnt nach

von Katharina Zeckau  01.04.2025

Geschichte

»Der ist auch a Jid«

Vor 54 Jahren lief Hans Rosenthals »Dalli Dalli« zum ersten Mal im Fernsehen. Unser Autor erinnert sich daran, wie wichtig die Sendung für die junge Bundesrepublik und deutsche Juden war

von Lorenz S. Beckhardt  01.04.2025 Aktualisiert

Hans Rosenthal

»Zunächst wurde er von den Deutschen verfolgt - dann bejubelt«

Er überlebte den Holocaust als versteckter Jude, als Quizmaster liebte ihn Deutschland: Hans Rosenthal. Seine Kinder sprechen über sein Vermächtnis und die Erinnerung an ihren Vater

von Katharina Zeckau  01.04.2025

TV-Spielfilm

ARD dreht prominent besetztes Dokudrama zu Nürnberger Prozessen

Nazi-Kriegsverbrecher und Holocaust-Überlebende in einem weltbewegenden Prozess: Zum 80. Jahrestag dreht die ARD ein Drama über die Nürnberger Prozesse - aus der Sicht zweier junger Überlebender

 01.04.2025