Meinung

Gurlitt, Stein des Anstoßes

14 der Werke der Gurlitt-Sammlung wurden als Raubkunst identifiziert Foto: imago/Manngold

Viele erinnern sich an den Herbst 2013: Bei Cornelius Gurlitt, dem Sohn eines ehemaligen NS-Kunsthändlers, werden auf einen Schlag Hunderte Kunstwerke entdeckt. Die Presse überschlägt sich, die Spekulationen schießen ins Kraut.

BEIGESCHMACK Die Gurlitt-Affäre war und ist ein gutes Beispiel für Probleme unserer Zeit: mediales Click-Baiting, politisches Misstrauen, überhastete Lösungen. Weder gab es damals noch gibt es heute ein Gesetz, mittels dessen man die Herausgabe von Raubkunst von Privaten erzwingen kann. Daher sahen viele Juristen in der Beschlagnahmung von Cornelius Gurlitts Besitz durch die Justiz eine klare Verletzung seiner Eigentumsrechte. Am Ende wurde diese Frage einvernehmlich geklärt. Weil aber Gurlitt wenig später verstarb, blieb ein etwas schaler Beigeschmack.

Während viele das grundsätzliche Engagement der Bundesregierung in Sachen Restitution anzweifelten, fehlte es daran nicht. Die Provenienzforschung ist ein recht neues Feld. Nicht alle hatten dafür Verständnis. Auch manche Medien agierten oft nachlässig: Konnte man die aufgeworfenen Fragen nicht einfach googeln? Versuche, die Gurlitt-Sammlung zügig auf Raubkunst hin zu prüfen, wurden zudem durch bürokratische Hürden erschwert. Und auf beiden Seiten der Debatte fehlte es oft an Feinfühligkeit.

https://twitter.com/MdB_Freihold/status/1349678837400031232

Mancher mag das langwierige Navigieren durch die deutsche Bürokratie als anstößig empfinden. Das ist vor allem dann so, wenn man glaubt, moralisch im Recht zu sein. Aber ausländische Anwälte wandten ab und an Taktiken an, die in den Vereinigten Staaten zwar gang und gäbe, in Deutschland aber schlicht unerhört sind. Die Folge: Empörung auf beiden Seiten - und noch mehr schlechte Presse.

Trotz dieses holprigen Verlaufs hat die Gurlitt-Affäre zu einer Auseinandersetzung mit dem Kunstraub während des Holocausts geführt. Die Blindheit, mit der Teile der Kunstwelt das Thema Raubkunst bis dahin behandelt hatten, wurde entlarvt.

PROVENIENZFORSCHUNG Das Projekt zeigte aber auch die Kluft auf zwischen dem bürokratisch-politischen Ziel, ein Thema korrekt abzuarbeiten, und dem gesellschaftlichen Bedürfnis, an die Schrecken des Holocaust zu erinnern und durch Restitution eine Art später Versöhnung zu erreichen.

Der Schwabinger Kunstfund hat weltweit notwendige Diskussionen ausgelöst. Es wurden 14 Werke restituiert. Und durch eine veränderte Politik können nun auch Anspruchsteller und Privatsammler finanzielle Unterstützung für Provenienzforschung beantragen. Aus diesen Überprüfungen resultieren bereits jetzt erste Restitutionen. Weitere werden sicherlich folgen. Die Gurlitt-Affäre war zunächst anstößig. Sie hat dann aber einiges angestoßen.

Agnes Peresztegi ist Rechtsanwältin in der Pariser Kanzlei Soffer Avocats und Expertin für Restitution und Kunstrecht. Von 2013 bis 2015 war sie Mitglied der deutschen Taskforce »Schwabinger Kunstfund«, die sich mit der Gurlitt-Sammlung befasste.

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 21.11.2024

Fachtagung

»Kulturelle Intifada«

Seit dem 7. Oktober ist es für jüdische Künstler sehr schwierig geworden. Damit beschäftigte sich jetzt eine Tagung

von Leticia Witte  20.11.2024