Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat am Dienstag ein weiteres Bild aus dem »Kunstfund Cornelius Gurlitt« an die Erben des einstigen jüdischen Besitzers zurückgegeben. Das Gemälde Portrait de jeune femme assise (Porträt einer sitzenden jungen Frau) des französischen Malers Thomas Couture (1815–1879) war 2017 als Eigentum des jüdisch-französischen Politikers und Mitglieds der Résistance, Georges Mandel (1885–1944), identifiziert worden. Grütters übergab das Bild am Dienstag im Berliner Martin-Gropius-Bau an die Nachfahren Mandels.
Das Gemälde war zuletzt in der am Montag zu Ende gegangenen Ausstellung Bestandsaufnahme Gurlitt im Berliner Gropius-Bau zu sehen. »Mit der Rückgabe des Gemäldes von Thomas Couture an die Familie des früheren Eigentümers setzen wir einen bewegenden Schlusspunkt unter die Ausstellungen zum Kunstfund Gurlitt«, erklärte Grütters.
SAMMLUNG Die Kulturstaatsministerin betonte, auch dieser Fall mahne, in der rückhaltlosen Aufarbeitung des NS-Kunstraubs, für den Deutschland Verantwortung trage, nie nachzulassen. Es ist das fünfte Bild aus der Sammlung, das an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wird.
Laut dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg führte ein winziges technisches Detail das Team des Projekts Provenienzrecherche Gurlitt auf die Spur zu Georges Mandel. Mit bloßem Auge kaum erkennbar, weise das Porträt in Brusthöhe der Porträtierten ein repariertes Loch auf. Eine Freundin des 1944 ermordeten Georges Mandel hatte nach dem Krieg das Gemälde als gestohlen gemeldet und auf einer handschriftlichen Notiz auch den Einriss erwähnt.
Nach weiteren Untersuchungen des Bildes aus der Sammlung Gurlitt wurde das reparierte Loch schließlich entdeckt. Ein weiteres entscheidendes Dokument, das Hinweise auf den ursprünglichen Besitzer gab, fand sich zudem im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin.
ÜBERGABE An der Übergabe des Gemäldes nahmen auch ein Vertreter des Kantons Bern und ein Gesandter der französischen Botschaft teil. Das Kunstmuseum Bern hat den Nachlass des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt und seines Sohnes Cornelius geerbt. Die Provenienzen aller über 1500 Werke sollen erforscht werden.
Die Bundesregierung wird regelmäßig aufgrund der nach wie vor schleppenden Rückgabe von NS-Raubkunst aus ehemals jüdischem Besitz scharf kritisiert. Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, fordert ebenso regelmäßig wie auch in klaren Worten mehr Einsatz von Deutschland bei der Rückgabe von Raubkunst.
Ende vergangenen Jahres verlangte Lauder in Berlin bei der Eröffnung einer internationalen Tagung über Provenienzforschung und den Umgang mit NS‐Raubkunst vollkommene Transparenz der Sammlungen von Museen und öffentlichen Archiven durch Digitalisierung der Bestände.
AUFARBEITUNG Im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen sagte Lauder vor Kurzem zudem: »Deutsche Museen und Sammlungen haben in den vergangenen 20 Jahren viel zu wenig getan. Es scheint fast so, als wären viele immer noch geneigt, alles zu tun, um gestohlene Kunstwerke um jeden Preis in ihren Sammlungen zu halten und so die Aufarbeitung der Verbrechen des Nazi‐Regimes zu verhindern. Es gibt keinen Grund mehr, dieses unverantwortliche Verhalten fortzusetzen.«
Kritik übte Lauder auch an der sogenannten Limbach‐Kommission. »Ich denke, die Tatsache, dass die Limbach‐Kommission in 15 Jahren nur 15 Fälle bearbeitet hat, spricht für sich selbst – das ist beschämend. Die von Grütters vor zwei Jahren eingeleiteten Reformen waren ein guter erster Schritt, aber ich habe immer gesagt, dass die damals ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen.« epd/ja