Wuligers Woche

Grüße aus der Quarantäne

Auch liberale Juden können dumm sein

von Michael Wuliger  17.04.2020 08:37 Uhr

Manche häusliche Isolation ist vergleichsweise luxuriös. Foto: Getty Images / istock

Auch liberale Juden können dumm sein

von Michael Wuliger  17.04.2020 08:37 Uhr

Eigentlich hatte ich mir geschworen, nichts über Corona zu schreiben. Aber jetzt drängt das Thema sich auf. Das neueste Hobby unter Juden in Israel und anderswo scheint zu sein, sich über Charedim aufzuregen, die sich nicht an die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus halten.

Stimmt, diese Leute handeln dumm und verantwortungslos. Allerdings muss man nicht ultraorthodox sein, um in der aktuellen Lage unvernünftig zu reden und zu handeln. Vermeintlich aufgeklärte liberale Kinder Israels können das auch ganz gut.

RISIKOGRUPPE Seit vier Wochen bin ich in Quasi-Quarantäne und meide soziale Kontakte. Nicht nur, weil das von den Behörden angeordnet wurde – was, nebenbei bemerkt, schon ein guter Grund wäre, übrigens auch halachisch: »Dina demalchuta dina«, heißt es im Schulchan Aruch, »das Gesetz des Landes ist das Gesetz«.

Wobei es das für mich eh nicht gebraucht hätte. Mit meinen 68 Jahren zähle ich zu den Risikogruppen. Und ich habe vor, noch etwas älter zu werden. Nach meinem – zugegebenermaßen lückenhaften – religiösen Verständnis fängt Pikuach Nefesch, das Gebot, Leben zu retten, bei mir selbst an. Man nennt das Eigenverantwortung.

EXPERTEN So weit, so selbstverständlich. Hatte ich gedacht. Und wurde rasch eines Schlechteren belehrt. »Ich verstehe diese Panik nicht. Diese Regulierungsspirale ist Wahnsinn. Jedes Jahr sterben hier 25.000 Menschen an einer Grippe, und keinen kümmert das – keine Ausgangssperren«, schrieb mir der Organisator einer geplanten jüdischen Veranstaltung, nachdem ich meine Mitwirkung abgesagt hatte. Einen ausgewiesenen Experten hatte er auch gleich bei der Hand: »Dr. X, ehemaliger Gemeindevorstand in Y, sagt, dass gesunde Menschen diese Krankheit überstehen. Und der ist selbst schon über 70.« Ich: »In Italien sind allein heute 1000 Menschen gestorben. Wir wissen nicht, wann es hier auch so weit ist.« Replik darauf: »Deutschland hat, gemessen an den Infektionszahlen, die geringste Letalität. Über 90 Prozent werden diese Krankheit unbeschadet überleben.« Meine Antwort: »Und ich möchte gern zu denen gehören!« Ende der Konversation, möglicherweise auch Ende der Bekanntschaft.

MIZWA Vielleicht habe ich gut reden. Meine häusliche Isolation ist vergleichsweise luxuriös. Ich hocke nicht vereinsamt in einer Großstadtwohnung, sondern bin bei einer Freundin und ihrer Familie auf dem Land.

Für sozialen Kontakt ist gesorgt, notfalls mit dem schwarzen Hauskater, dessen dauerndes Maunzen irgendwie Jiddisch nach »Oj Vey!« klingt. Es gibt auch einen großen Garten, wo ich in der Sonne sitzen kann, statt mir in überlaufenen Berliner Parks möglicherweise etwas einzufangen.

»Pack eine Tasche und komm hierher«, hatte die Freundin gesagt, als die Ausgangsbeschränkungen verkündet wurden. Sie ist übrigens keine Jüdin. Den Begriff »Mizwa« kennt sie wahrscheinlich nicht. Aber verstanden hat sie ihn besser als so manche unserer Leute.

Bochum

Gil Ofarim kündigt Konzert an

Gerade erst zeigte er sich geläutert - nun kündigt er neue Pläne an

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Saarbrücken

Moderne Galerie zeigt Illustrationen von Marc Chagall

Die Schau »Marc Chagall. Die heilige Schrift« ist bis zum 25. April 2025 zu sehen

 21.11.2024

Fußball

Neuer wackelt: Plötzliche Chance für Peretz im Bayern-Tor?

Manuel Neuer plagt »ein Stechen im Rippenbereich« und Sven Ulrteich fällt vorerst aus persönlichen Gründen aus

 21.11.2024

Gut besucht: die Konferenz in Berlin

Zionismus-Tagung

Vom Recht auf einen souveränen Staat

In Berlin diskutieren Referenten und Teilnehmer aus Deutschland und Israel verschiedene Aspekte

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Veranstaltungen

Sehen. Hören. Hingehen.

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 21. November bis zum 28. November

 21.11.2024

Liedermacher

Wolf Biermann: Ein gutes Lied ist zeitlos gut

Er irre sich zuweilen, gehöre habe nicht zu den »irrsten Irrern«, sagt der Liedermacher

 21.11.2024

Nachruf

Meister des Figurativen

Mit Frank Auerbach hat die Welt einen der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsmoderne verloren

von Sebastian C. Strenger  21.11.2024

Berlin

Ausstellung zu Nan Goldin: Gaza-Haltung sorgt für Streit

Eine Ausstellung würdigt das Lebenswerk der Künstlerin. Vor der Eröffnung entbrennt eine Debatte

von Sabrina Szameitat  21.11.2024