Das Ziel ist durchaus ambitioniert. Als erster Kontinent will Europa »klimaneutral« werden, und zwar schon bis 2050. So jedenfalls sieht es die Green-Deal-Initiative der Europäischen Union vor, die am 11. Dezember 2019 von der frischgebackenen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgestellt wurde.
Man hofft, für die kommenden zehn Jahre ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von rund einer Billion Euro auflegen zu können, um den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen herunterzufahren. Dabei setzt man auf sektorübergreifende und integrative Ansätze, so zum Beispiel auf Maßnahmen für mehr Biodiversität und Naturschutz, aber auch auf neue Konzepte in der Landwirtschaft oder beim Thema Mobilität.
»Es wäre der Mann-auf-dem-Mond-Moment, falls es Europa hinbekommt«, kommentierte der »Deutschlandfunk« die Pläne – also ein gigantisches Projekt, das wohl nur mit den Apollo-Missionen der NASA vor mehr als 50 Jahren verglichen werden könne.
Israelische Innovationen sollen helfen, Europa »klimaneutral« zu machen.
Selbstverständlich steht die Finanzierung noch in den Sternen, und die EU wäre wohl kaum die EU, wenn man sich nicht bereits jetzt darüber streiten würde, welche Regionen, die beispielsweise stark vom Bergbau abhängen, besonders gefördert werden sollen, und wie viel alle beteiligten Staaten denn nun konkret an finanziellen Mitteln beisteuern müssen.
WERTSCHÄTZUNG Was aber schon jetzt feststeht: Israel wird mit an Bord sein, und zwar über das »Israel–Europe Research & Innovation Directorate«, kurz ISERD, die Schnittstelle zwischen Jerusalem und Brüssel, wenn es um die Teilnahme israelischer Partner an EU-Forschungsprojekten geht.
»Israel ist seit über 23 Jahren in solchen europäischen Rahmenprogrammen mit eingebunden«, betonte ISERD-Direktorin Nili Shalev noch vor wenigen Monaten anlässlich der Eröffnung einer Außenstelle des European Institute of Innovation and Technology, einem EU-Gremium zur besseren Vernetzung der Forschungseinrichtungen von Universitäten mit denen aus der freien Wirtschaft, in Tel Aviv. Für sie ist das ein deutliches Signal für die Wertschätzung der israelischen Kompetenzen auf den verschiedensten Technologiefeldern. Mit der Einbindung in die Green-Deal-Initiative wird dies noch einmal bestätigt.
ERGEBNISSE ISERD hat nun Forschungseinrichtungen im ganzen Land dazu aufgerufen, sich an den Ausschreibungen für Projekte, die anlässlich der Green-Deal-Initiative aufgelegt wurden, zu beteiligen. 20 davon werden konkret benannt. Darunter solche mit den Arbeitstiteln »Grüne Airports und Häfen als Hubs für eine nachhaltige und smarte Mobilität«, »Wege zu klimaneutralen und sozial innovativen Städten« oder »Verhinderung und Bekämpfung von extremen Wald- und Buschbränden durch die Integration und Demonstration innovativer Maßnahmen«. Israelische Bewerber können ab dem 15. September dazu ihre Vorschläge einreichen, Abgabeschluss ist der 31. Januar 2021.
Die Voraussetzungen für eine Teilnahme israelischer Partner werden von ISERD skizziert: »Von den Projekten wird erwartet, dass sie relativ schnell realistische sowie sichtbare Ergebnisse liefern und zeigen, welche konkreten Ansätze Forschung und Innovation verfolgen, um die Ziele der Green-Deal-Initiative in die Tat umsetzen zu können. Darüber hinaus soll der Aufruf als Anreiz zum Experimentieren verstanden werden, um auf diese Weise neue Wege zu identifizieren, wie die Zivilgesellschaft dabei eingebunden und gestärkt werden kann.«
Zugleich verweist ISERD auf einige Best-Practice-Beispiele, die bereits EU-Hilfen erhalten haben. Eines davon ist das NanoPack-Projekt, das sich der Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln verschrieben hat. Forscher am Technion in Haifa hatten dafür eigens smarte sowie antimikrobielle Oberflächen entwickelt, die in Kombination mit konventionellen Verpackungsstoffen verhindern sollen, dass Brot oder Gemüse im Abfall landen, nur weil sie vorzeitig verschimmeln und damit ungenießbar werden.
NACHHALTIGKEIT Ein anderes, ReInvent genanntes Projekt beteiligt sich an der Entwicklung von alternativen Materialien, die biologisch abbaubar sind und in Zukunft die bisher zum Einsatz kommenden Kunststoffe im Innenraum von Fahrzeugen ersetzen könnten. »Unsere Rolle in diesem Projekt besteht darin, neue Mikromaterialien für den Einsatz in der Automobilindustrie zu konzipieren«, erklärt Shaul Lapidot, CEO von Melodea, einem der israelischen Partner des Konsortiums. »Das Ziel ist nicht nur eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz in der Pkw-Produktion, sondern auch eine Reduzierung der negativen Auswirkungen für die Umwelt am Ende der Lebensdauer des Fahrzeugs, weil sich dieses besser recyceln lässt.«
Die Einbindung israelischer Institutionen in die Green-Deal-Initiative ist aber zugleich ein politisches Signal. Denn Vertreter der EU hatten bei ihrem Treffen im Mai noch angedeutet, dass Israel im Falle einer Umsetzung seiner Pläne zur Annexion von Teilen des Westjordanlandes mit Sanktionen rechnen müsse. Vor allem das »Horizon 2020«-Forschungsprogramm wurde in diesem Kontext genannt, in das der jüdische Staat seit vielen Jahren eingebunden ist. Die Tatsache, dass Israel bei diesem neuen Giga-Vorhaben der EU mit von der Partie ist, lässt hoffen, dass es sich dabei nur um verbale Drohgebärden handelte.