Wie sind umweltfreundliche Innovationen und nachhaltige Energieversorgung möglich? Diese Frage diskutierten Experten aus Deutschland und Israel vergangene Woche bei einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin und warfen einen Blick auf die »Ambitionen und politische Realität« in beiden Ländern. Von Beginn an wurde deutlich, dass es trotz Einigkeit über das grundsätzliche Ziel höchst unterschiedliche Meinungen darüber gibt, was machbar und möglich ist.
Durch die Konferenz zog sich der Kontrast zwischen israelischem Pragmatismus und deutschem Idealismus wie ein roter Faden. Die israelischen Vertreter betonten immer wieder, dass die Gegebenheiten der beiden Länder nicht miteinander vergleichbar seien. Von deutscher Seite hörten sie die Mahnung, sie sollten doch dem deutschen Beispiel folgen. »Der Klimawandel wird einen großen Einfluss auf Israel haben«, warnte Kerstin Müller, Vertreterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Israel, gleich zu Beginn der Konferenz.
Regine Günther, Leiterin für Klima und Energiepolitik beim World Wide Fund For Nature (WWF) in Berlin, ergänzte selbstbewusst: »Die Deutschen ziehen davon.« Es sei, so Günther, lediglich ein Betrag in Höhe von 0,3 bis einem Prozent des Bruttosozialprodukts, analytisches Vorgehen sowie politischer Wille notwendig, um eine Energiewende zu meistern. Dies alles diene dem Zweck, langfristig ökonomische und Versorgungssicherheit zu schaffen, erklärte die WWF-Expertin und fragte rhetorisch: »Wollen wir wirklich von volatilen Energiemärkten abhängig sein?«
Monopol Doch bevor der israelische Energiemarkt verändert werden kann, muss er verstanden werden. Deshalb erklärte Yuval Zohar, der im israelischen Ministerium für Energie- und Wasserversorgung für Erneuerbare Energien zuständig ist, die gegenwärtige Lage – nicht ohne sich zuvor für die Zahlen zu entschuldigen, die deutschen Zuhörern etwas klein vorkommen könnten. Israel sei nun einmal nicht mit Deutschland vergleichbar, sagte Zohar.
Zurzeit sei der Markt zu 96 Prozent in der Hand eines staatlichen Monopols. Die 14.500 Megawatt Leistung zur Stromerzeugung kämen fast ausschließlich aus fossilen Quellen – mehr als die Hälfte aus Kohle, über 40 Prozent aus Erdgas und der Rest Diesel. Dabei soll der Anteil des Erdgases innerhalb der nächsten zwei Jahre auf über 50 Prozent steigen. Außerdem seien 500 Megawatt an erneuerbaren Energiequellen ans Netz angeschlossen, hauptsächlich in Form von Solarzellen, berichtete Zohar.
Bei der Entwicklung erneuerbarer Energien sei Israel sehr gut aufgestellt, erläuterte Zohar weiter. So hätten israelische Firmen thermosolare Anlagen entwickelt, bei denen durch Sonneneinstrahlung Wasserdampf erzeugt wird, der einen Generator antreibt. Diese Anlagen seien weltweit mit einer Gesamtleistung von 2000 Megawatt installiert.
Dennoch habe Israel seine Spitzenrolle bei der Entwicklung der Fotovoltaik verloren, warf Kerstin Müller ein und erwähnte ein entsprechendes Förderprogramm mit einem Budget von »nur« zehn Millionen Schekel (etwa zwei Millionen Euro). Man sehe in Israel kaum Solarzellen auf den Dächern, obwohl dort ständig die Sonne scheine, kritisierte Müller. Von Avi Feldman, dem Vorsitzenden des israelischen Investitionsfonds Capital Nature, wollte sie wissen, warum das so sei.
Feldman erklärte geduldig, die Kunden von Solarzellen, die in Israel zuvor keine staatliche Förderung erhielten, erwarteten »ausgereifte Produkte«. Es dauere, ähnlich wie in der Biotech-Branche, meist fünf bis zehn Jahre, bis ein Produkt wirklich marktreif sei. Man müsse zunächst »alle Zutaten erzeugen«. Vielen israelischen Firmen fehle dafür der lange Atem. Damit kritisierte Feldman auch die eigene Regierung, die zu wenig dafür tue, dass die Technologie den Markt erreicht.
Strategie Dorit Davidovitch Banet von der Eilat/Elot Renewable Energy Ltd. pflichtete dem bei. Es fehle eine langfristige Strategie, um die unbegrenzt verfügbare Ressource Sonne und die neu entdeckten Gasvorkommen vor der Küste sinnvoll einzusetzen. Banet warnte jedoch auch davor, die Situation Deutschlands auf Israel zu übertragen: »Deutschland hat einen Vorsprung. Es ist ein reiches Land, Israel nicht.«
Der Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, warf schließlich die Frage in den Raum, warum Israel sich derart ziere, eine Energiewende anzugehen, wo doch die langfristigen Vorteile auch wirtschaftlich so groß seien. Auf den Einwand eines israelischen Teilnehmers, staatliche Eingriffe in den Markt verzerrten die Preise zu Ungunsten der ärmeren Schichten, antwortete Regine Günther, der Zweck solcher Maßnahmen sei es doch vielmehr, »grüne« Energiequellen langfristig weniger anfällig für Preisschwankungen zu machen. Und sie fügte hinzu: »Ich kann Israel nur raten, dem zu folgen.«
Stellenwert Weitere Wortmeldungen machten sehr deutlich, dass ökologische Themen in Israel einen ganz anderen Stellenwert haben als in Deutschland. So ist etwa die winzig kleine Grüne Partei nicht in der Knesset vertreten, und die Israelis widmen sich dem Schutz der Umwelt höchstens dann, wenn sie die Mittel dazu haben. Alle anderen kümmern sich »um existenziellere Dinge«, so ein Diskussionsteilnehmer.
Gleichwohl geht die israelische Energiewende weiter. In den nächsten drei bis vier Jahren wolle Israel zum einen den Markt öffnen und den Anteil privater Energieanbieter auf 40 Prozent heben, verriet Yuval Zohar. Außerdem solle mithilfe von Einspeisevergütungen und Umlagen der Marktanteil der erneuerbaren Energien auf zehn Prozent steigen – was aber »eine schwere Belastung für die Stromrechnung der Verbraucher« bedeuten werde. »Letzten Endes«, so Zohars Fazit, »muss man entscheiden, was wichtiger ist.«