Mascha Kaleko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaleko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025 13:15 Uhr

Die Schriftstellerin Mascha Kaleko Foto: picture-alliance/ dpa

In den 20er-Jahren war Mascha Kaleko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025 13:15 Uhr

»Nicht alle sind glücklich, die glücklich scheinen. Manche lachen nur, um nicht zu weinen.« Das ist der typische Kaleko-Sound. Einfache klare Sprache, witzig, schnoddrig, melancholisch, selbstironisch. Sehr musikalisch und leicht auswendig zu lernen.

Mascha Kaleko (1907-1975) zählt offiziell nicht zur ersten Garde der deutschen Dichter - das hat sie selber so gesehen. Und doch verdient sie einen Spitzenplatz. Ihre Lyrik erlebt bereits seit einigen Jahren eine Renaissance: 2012 erschien bei dtv eine vierbändige Gesamtausgabe. Zu ihrem 50. Todestag am 21. Januar hat der Schriftsteller Daniel Kehlmann nun eine persönliche Auswahl ihrer Gedichte und Schriften herausgegeben. Die Sängerin und Liedermacherin Dota Kehr hat Kalekos Gedichte neu vertont.

»Niemand verkörpert das Berlin der Weimarer Republik zwischen Schreibmaschinengrau, hellen Kinoreklamen und nicht enden wollenden Nächten im Romanischen Cafe so sehr wie die melancholische Großstadtdichterin mit ihrem sprühenden Witz«, schreibt Kehlmann. Kaleko sei »die undeutscheste deutsche Dichterin«. Sie habe die elegantesten, traurigheitersten Gedichte seit Heinrich Heine geschrieben.

Die wenigen leuchtenden Jahre

Undeutsch - das ist die Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang. Ihre Fähigkeit, komplexe Gefühle in einfache Worte zu fassen, die jeder nachvollziehen kann. Der Klang des Berlin der 20er Jahre, der neuen Sachlichkeit. So ähnlich wie Kästner oder Ringelnatz. Flüchtiges Zusammenkommen, schnelle Abschiede und unüberwindliche Fremdheit zwischen den Menschen: Kalekos Gedichte erschienen damals - die Weimarer Jahre beschrieb sie als »die paar leuchtenden« Jahre - in den führenden Berliner Feuilletons, sie wurden auf Kabarettbühnen gesungen. »Ich sang einst im deutschen Dichterwald, / Abteilung für Großstadtlerchen«, schrieb sie später.

Deutsch: Das war das Schicksal dieser jüdischen Lyrikerin, die ihren Erfolg nur kurz genießen konnte, weil die Nazis ihr Werk schon 1933 verboten. Flucht und Heimatlosigkeit gehörten zu ihrem Leben dazu: Mascha Kaleko, geboren als Golda Malka Aufen am 7. Juni 1907 in Schidlow im damaligen Österreich-Ungarn, heute zur Ukraine gehörend, wuchs in einer jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Wegen des zunehmenden Antisemitismus und des heraufziehenden Ersten Weltkriegs wanderte die Familie 1914 nach Frankfurt am Main aus. 1918 zog sie nach Marburg, und schließlich ins Berliner Scheunenviertel, wo sich Mascha endgültig niederließ.

Ihre Gedichte, die das Alltagsleben der kleinen Leute schilderten, fanden großen Anklang. »In mir ist alles aufgeräumt und heiter / Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt. / An solchem Tag erklettert man die Leiter, / Die von der Erde in den Himmel führt« heißt es beispielsweise im Gedicht »Sozusagen grundlos vergnügt«. Ihr literarischer Durchbruch gelang 1933 mit ihrem ersten Gedichtband »Das lyrische Stenogrammheft«.

Mit tiefem Zorn

1938 musste Kaleko mit ihrem zweiten Mann, dem Komponisten Chemjo Vinaver, und ihrem Sohn Steven in die USA emigrieren. Mit tiefem Zorn kommentierte sie die Ereignisse in Europa. »Der Tag wird kommen, und er ist nicht fern / Der Tag, da sie ans Hakenkreuz euch schlagen«, dichtete sie 1943 in »Höre, Teutschland (In memoriam Maidanek und Buchenwald)«.

Später, Ende der 50er Jahre, ging sie nach Jerusalem, wo sie sich nie ganz wohl fühlte. Schließlich zog sie in die Schweiz. In Zürich fand sie einen Rückzugsort, an dem sie sich wieder dem Schreiben widmen konnte. Die Sehnsucht nach Berlin blieb, auch wenn sie den Deutschen vorhielt, die NS-Vergangenheit zu verdrängen. »Es heißt, die Wölfe im deutschen Wald / sind neuerdings streng vegetarisch«, dichtete sie.

Kaleko konnte zunächst nicht an ihre früheren literarischen Erfolge anknüpfen. Die Entwurzelung und der Verlust der vertrauten Umgebung lasteten schwer auf ihr. »Mir ist zuweilen so als ob / Das Herz in mir zerbrach. Ich habe manchmal Heimweh. Ich weiß nur nicht, wonach ...«, so fasste sie ihre Gefühle zusammen. Das Lebensgefühl, die Leichtigkeit waren weg, Traurigkeit und Melancholie gewannen Raum.

»Unser ganzes Sein. Nur ein Einstweilen«, schrieb sie. Das Leben? »Ein Inzwischen, durch das wir aus dem Nichts ins Nichts enteilen.«

Seit den 60er Jahren wuchs ihr Ruhm in Deutschland wieder, auch wenn keines der gängigen Literaturlexika ihren Namen nannte.

1968 dann ihr großes Unglück: Sohn Steven starb mit 32 Jahren an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung. Als sie 1974 auch noch ihren Mann verlor, war endgültig keine Hoffnung mehr spürbar. Mascha Kaleko starb am 21. Januar 1975 in Zürich an Magenkrebs.

Lesen Sie mehr zu Mascha Kaleko in unserer Printausgabe am Donnerstag.

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