Das Model auf der Broschüre legt den Finger auf die Lippen: Reden ist Silber, Schweigen Gold? In der »WordBank«, deren Werbung die Dame mit den braunen Augen ziert, wiegt beides gleich: Schweigen lässt sich hier ebenso investieren wie Wörter; man spart getrennt nach soziolinguistischen Sparten und nimmt Körpersprachkredite auf. Es gibt Giro- und Sparkonten, Telefon- und Internetbanking. Auch Investmentberatung wird angeboten.
multimedia-fiktion Tatsächlich ein Konto eröffnen, lässt sich jedoch hier nicht. Die WordBank ist Fiktion, ein multimediales Luftschloss, erbaut von Ofir Feldman. Mit professionell gestalteten Flyern, Werbe-Clips und einer ausführlichen Homepage, mit griffigen Vermarktungs-slogans und einer Firmengeschichte präsentiert der 33-jährige israelische Konzeptkünstler – er selbst bezeichnet sich auf seiner Homepage als »visuellen Philosophen« – seine WordBank als Elite-Einrichtung, der man bedenkenlos seinen Wortschatz anvertrauen darf.
Um den perfekten Schein zu entlarven und so einen Reflexionsraum zu eröffnen über Themen wie Virtualität, Ökonomie, Sprache. In Feldmans animierten, aus Schriftzeichen zusammengesetzten Wunderwelten mutiert so das ambivalente Semikolon zu Alices Grinsekatze, wird der Doppelpunkt zur Aufforderung, tiefer einzutauchen, prügeln die Frage- und die Ausrufezeichen so lange aufeinander ein, bis sie sich ineinander verlieben. »Das könnte schon was mit meiner Herkunft zu tun haben«, sagt der Israeli, »dieser Kampf zweier gegensätzlicher Parteien, die sich eigentlich brauchen.«
Sprache ist ein wiederkehrendes Thema Feldmans. Geboren und aufgewachsen in Israel, ging er nach New York, dann nach Rom, wo er »ganz klassisch Malerei« studierte. »Da wurde ich mit der christlichen Bildkultur konfrontiert, und mir ist erstmals bewusst geworden, dass ich aus einer schriftdominierten Kultur komme. Diesen Unterschied habe ich reflektiert.«
Auch Wirtschaft, die zweite Grundlage seiner WordBank, war für Feldman immer ein Thema – notgedrungen: »Ich habe in die Kunst investiert, aber die Kunst hat mir kein Geld zurückgezahlt.« Also musste der Künstler diversen Brotjobs nachgehen. Zu ihnen entwickelte er ein ambivalentes Verhältnis: Einerseits ernährten sie ihn und faszinierten ihn in ihrer Funktionalität, andererseits hielten sie ihn von der künstlerischen Arbeit ab.
preisgeld Da kam der mit 30.000 US-Dollar dotierte Siegerpreis in einem Kunstwettbewerb des Entertainmentportals Hobnox für Feldman wie gerufen, um sein Bankprojekt, an dem er seit sechs Jahren und mit vielen Helfern arbeitet, voranzutreiben. Inzwischen hat das Holon Museum of Digital Arts in Israel Feldmans Promotion-Clips für die Wortkonten in seine Datenbank aufgenommen. Und seit voriger Woche sind Teile des Projekts in einer Ausstellung in Jaffa zu sehen. Bis zum Jahresende soll die Bank-Homepage auch auf Englisch, Deutsch und Hebräisch erscheinen – bislang gibt es nur eine italienische Version.
Dann will der Israeli, der seit zwei Jahren in Berlin lebt, »weil hier in Sachen Kunst einfach mehr los und das Leben bezahlbar ist«, das Gesamtprojekt in einer Galerie präsentieren – mit allen Info-Videos in 14 Sprachen, Plakatmotiven und Werbeclips für die sechs Interpunktionszeichen: »In Zeiten von SMS und Twitter sind sie vom Aussterben bedroht«, sagt der Künstler mit einem Ernst, dem nicht zu trauen ist, »deshalb sollen die Clips sie promoten«. Auch sonst lauern Abgründe hinter der glatten Bank-Oberfläche. Ofir Feldman interessiert bei seinem Projekt stets auch die Macht der Sprache und ihre Funktion, Kontrolle auszuüben: »Der Gedanke, dass man Kunde einer Bank sein muss, um Zugang zu seinem Wortschatz zu bekommen, ist leider gar nicht so absurd.«
www.wordsbank.com