Er ist 90 Jahre alt, lebt in einem New Yorker Altersheim und kann sich oft an fast nichts mehr erinnern, das in seinem Leben passiert ist. In klaren Momenten aber schießen dem Demenzkranken Zev (Christopher Plummer) schreckliche Erlebnisse aus seiner Vergangenheit ins Bewusstsein. Zev ist Auschwitz-Überlebender, ebenso sein an einen Rollstuhl gefesselter Freund Max (Martin Landau).
Beide haben trotz ihrer Gebrechlichkeit noch einen Plan. Sie wollen den SS-Mann töten, der in Auschwitz ihre Familien ermordet hatte und unter dem Namen Otto Walisch in den USA untertauchen konnte. Das Problem ist nur, dass es vier Männer mit diesem Namen gibt, alle im gleichen Alter, und nur einer kann der Täter sein. Und da Max selbst nicht mehr an der Nazijagd teilnehmen kann, schickt er seinen Freund Zev auf die beschwerliche Reise, wohl wissend, dass dieser ebenfalls alles andere als prädestiniert ist für den Plan.
realistisch Zugegeben: Der Plot von Atom Egoyans neuem Film Remember, der am 31. Dezember in den Kinos anläuft, erscheint unrealistisch. Wie soll ein alter Mann, der nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte ist, einen Mord ausführen? Aber der kanadisch-armenische Regisseur war schon immer ein Meister unkonventioneller Filme mit verschachtelten Dramaturgien.
Und so sollte man sich nicht besserwisserisch damit aufhalten, was und ob alles realistisch ist, sondern sich eher auf die psychologisch-historische Ebene einlassen. Wie haben Opfer und Täter über- und weitergelebt nach 1945? Wie funktionieren Erinnerung und Verdrängen? Was bedeutet der Holocaust in den USA und Kanada heute wirklich? Was ist das für ein Land, in dem ein 90-Jähriger noch legal eine Waffe kaufen und der Sohn eines Altnazis als Sheriff ganz unverblümt SS-Uniformen horten kann?
Atom Egoyan hat sich in einigen seiner Filme wie Ararat direkt mit dem armenischen Genozid auseinandergesetzt. Sein Blick auf die Schoa ist der Blick alter Männer auf die Vergangenheit, jedoch verpackt in diverse Genres wie den Thriller oder das Roadmovie. Das Ende des Films ist ein Schock, den man – Vorsicht, Spoiler! – mitnichten erwartet hat. Schon allein dafür lohnt sich der Film, erst recht für seine genialen Darsteller: die beiden Oscar-Preisträger Landau und Plummer sowie – mit denkwürdigen Nebenrollen – auch Bruno Ganz und Jürgen Prochnow.