Das Drama Synonyme über einen jungen Israeli hat bei der Berlinale überraschend den Goldenen Bären gewonnen. Regisseur Nadav Lapid erzählt darin die Geschichte eines Mannes, der in Paris seine israelischen Wurzeln hinter sich lassen möchte. Jurypräsidentin Juliette Binoche gab den Gewinner am Samstagabend in Berlin bekannt.
Es ist das erste Mal, dass ein Regisseur aus Israel den Hauptpreis gewinnt. Synonyme handelt von Yoav, der seine Vergangenheit vergessen will. Er zieht nach Paris und lernt wild entschlossen Französisch, weil er kein Hebräisch mehr sprechen will.
Für den israelischen Regisseur ist sein Film eine Feier des Kinos.
AUTOBIOGRAFISCH Der Film ist angelehnt an Lapids eigene Biografie. Der Regisseur wurde 1975 in Tel Aviv geboren, zog nach seinem Militärdienst nach Paris und wieder zurück. »Ich glaube, das sind Fragen, die Menschen überall in der Welt angehen: Wie weit wir uns von unserer Identität lossagen und eine neue entwickeln können«, sagte Lapid über seinen Film. Die französisch-israelisch-deutsche Koproduktion galt unter Kritikern nicht unbedingt als Favorit.
Synonyme sei ein Film, der vielleicht in Israel oder Frankreich als skandalös bezeichnet werden könne, so Lapid weiter. Aber für ihn sei der Film eine Feier des Kinos. Er hoffe, dass Menschen Wut, Zorn und Ablehnung auch als das anerkennen würden, was sie seien – nämlich die Geschwister von Bindung und Nähe.
Der Silberne Bär für das beste Drehbuch ging an ein Team um den italienisch-jüdischen Autor und Mafiakritiker Roberto Saviano. Der 39-Jährige stellte auf der Berlinale den Film Piranhas vor, der von einer Jugendbande in Neapel erzählt, die in Drogengeschäfte abrutscht.
Der israelische Film galt unter Kritikern nicht unbedingt als Favorit.
TRAUER Die Berlinale gehört neben Cannes und Venedig zu den wichtigsten Filmfestivals der Welt. Auch deutsche Kandidaten gehörten in diesem Jahr zu den Gewinnern. So ging der Silberne Bär für die beste Regie an Angela Schanelec. Ihr Film Ich war zuhause, aber thematisiert Trauer und auch die Kunst an sich.
Das Drama Systemsprenger der deutschen Regisseurin Nora Fingscheidt bekam den Alfred-Bauer-Preis. Er gilt einem Spielfilm, der »neue Perspektiven eröffnet«. Der Film handelt von einem schwierigen Mädchen, das von einer Unterkunft in die nächste kommt.
Den Großen Preis der Jury holte am Samstagabend der französische Regisseur François Ozon mit Gelobt sei Gott über Missbrauch in der katholischen Kirche. Als beste Darsteller wurden die Chinesen Yong Mei und Wang Jingchun ausgezeichnet. Sie spielen in So Long, My Son ein Ehepaar, dessen Schicksal über 30 Jahre hinweg begleitet wird.
DISKUSSIONEN Für Debatten hatte auf der 69. Berlinale die Absage eines anderen chinesischen Beitrags gesorgt. One Second von Zhang Yimou fiel aus. Als Grund wurden »technische Probleme« bei der Postproduktion angegeben. Nach Einschätzung von Beobachtern erschien aber nicht ausgeschlossen, dass der Film der chinesischen Zensur zum Opfer fiel.
»Kunst im Film kann die Transformation unseres Lebens und unseres Geistes bewirken«, ist Binoche überzeugt.
Die Jury bedauerte die Absage. »Kunst im Film kann die Transformation unseres Lebens und unseres Geistes bewirken. Das Kino kann das schaffen«, sagte Binoche bei der Gala am Potsdamer Platz. »Wir hoffen, dass wir diesen Film bald überall auf der Welt sehen können. Und wir haben ihn hier auf der Berlinale sehr vermisst.«
Die Berlinale wurde in diesem Jahr zum letzten Mal von Dieter Kosslick geleitet. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte ihn als »wahren Filmhelden«. Er habe die Berlinale stets an den Fronten der großen, kontroversen Debatten unserer Zeit positioniert. Unter Kosslick habe sich die Berlinale zum größten Publikumsfestival entwickelt. Rund 400 Filme standen im Programm.
Zum Abschied bekam Kosslick auch Geschenke: Zeichnungen für die Kulisse von Fritz Langs legendärem Film Metropolis etwa. Künftig übernimmt eine Doppelspitze. Neuer künstlerischer Leiter wird der Italiener Carlo Chatrian, ihm zur Seite steht Mariette Rissenbeek als geschäftsführende Leiterin. dpa