Jewy Louis ist ein Anarchist. Keiner von den Bombenlegern, eher einer von denen, die die jüdischen Traditionen und Gesetze auf den Prüfstand stellen. Einer, der dem Rabbiner an Rosch Haschana erklärt, er werde fortan damit beginnen, weniger in die Synagoge zu gehen, samstags zu arbeiten, Schweinefleisch zu essen und den Koran zu studieren. Und als der Rabbiner ausrastet, diesen mit der Feststellung beruhigt: »Entspannen Sie sich, niemand hält sich an seine Vorsätze zum neuen Jahr!«
Jewy Louis ist ein gewitzter kleiner Kerl mit Nickelbrille, Pejes (aber ohne Bart), einer weiß-blau gestreiften Kippa, der auch im Büro den Gebetsschal trägt. Erschaffen wurde die Figur, die seit einigen Jahren regelmäßig auch die Leser der Jüdischen Allgemeinen erfreut, von dem holländisch-jüdischen Cartoonisten Ben Gershon. Und so provokant-grotesk wie der Name des Autors (der ja eigentlich nur den seines Vaters verrät) sind auch seine Cartoons.
SESAMSTRASSE Im Alter von zwei Jahren hat er seine erste Zeichnung angefertigt – auf der Tapete seines Kinderzimmers. Damals waren noch Ernie und Bert aus der Sesamstraße sein Sujet. Später hat er einen Abschluss in Verwaltung und Steuerrecht gemacht, ehe Jewy Louis vor 14 Jahren im »Nieuw Israelitisch Weekblad«, einer jüdischen Wochenzeitung in den Niederlanden, das Licht der Welt erblickte.
Jewy Louis ist ein Anarchist. Einer von denen, die die jüdischen Traditionen und Gesetze auf den Prüfstand stellen.
Seither sitzt der Zeichner täglich an seinem Schreibtisch, wie er in einem Interview verriet, hält seinen Bleistift in der Hand und wartet darauf, dass der liebe Gott ihm eine gute Idee schenkt. Der Schöpfer lässt ihn offenbar nicht im Stich, denn eine Auswahl seiner besten »koscheren Comics« hat die emsige Verlegerin Myriam Halberstam nun in ihrem Ariella-Verlag unter dem Titel Schalömchen zwischen Buchdeckel drucken lassen.
Da geht der Cartoonist Ben Gershon etwa dem Unterschied zwischen dem »Weihnachtsdilemma« und dem »Chanukka-Dilemma« auf den Grund. Dabei stellt er fest, dass dieses darin besteht, dass der christliche Mann es lediglich zwei Tage mit der Schwiegermutter aushalten muss, der Jude hingegen mehr als eine Woche. Oder dass man einen gründlichen Pessach-Hausputz daran erkennt, wenn dabei der Afikoman vom Vorjahr auftaucht.
Der Rezensent stellt sich die Frage, wen der Zeichner und seine Verlegerin wohl als Zielpublikum vor Augen haben. Nun, zunächst ja wohl all diejenigen, die beim Begriff Afikoman nicht erst Google bemühen müssen. Einen konkreteren Hinweis gibt ein großer Online-Händler. Er weist darauf hin, dass der Käufer dieses Buch sich auch zur Bestellung von Israel kocht vegetarisch von Tom Franz, dem Jüdischen Gebetbuch für Shabbat und Werktage sowie dem Ersatzscherteil 70S des Braun Elektrorasierers entschied. Also nicht gerade orthodoxe Bartträger, aber Juden, die sich dennoch um Kaschrut und Gebete Gedanken machen.
Im Alter von zwei Jahren hat Jewy Louis seine erste Zeichnung angefertigt – auf der Tapete seines Kinderzimmers.
Ideale Betrachter also für jene gezeichneten Comics, die nahezu durchweg ein Kriterium für das erfüllen, was der »Stern«-Cartoonist Til Mette einmal für den jüdischen Humor so beschrieb: »Er lebt unter anderem von seiner Selbstironie, dem urbanen Kontext und hat bei allem Zynismus am Ende eine oft versöhnliche Pointe.« Die Kundschaft für so etwas muss nicht zwingend jüdisch sein – der kleine Band eignet sich auch hervorragend als Weihnachtsgeschenk für den philosemitischen Nachbarn.
Ben Gershon: »Jewy Louis. Schalömchen: Witzige koschere Comics«. Ariella, Berlin 2018, 72 S., 12,95€