Watcha Clan ist eine fünfköpfige Band aus Marseille um die charismatische Sängerin Sista K. Die Band tourt derzeit mit ihrem aktuellen Album »Radio Babel« durch Deutschland. Die Franzosen mischen Drum ‹n’ Bass und arabische Musik, Hiphop und jiddische Gassenhauer wild durcheinander. Sogar Gegensätzliches hat in ein und demselben Song Platz.
So wird die Musik zum Spaghetti-Western »Es war einmal in Amerika« kurzerhand zu »Il était une fois dans l’Est« (Es war einmal im Osten) umfunktioniert, indem der jiddische Klassiker »Shejn vi di levone« recycelt wird. Der Schtettl-Klassiker »Tschiribim« wird dagegen zur Bauchtanz-Hiphop-Nummer und Ofra Hazas Hit »Im Nin’Alu« zur poppigen Dancefloor-Version.
Derwisch Das klingt vordergründig nach Karneval der Kulturen, macht aber angesichts der Biografie von Sista K durchaus Sinn. Die schillernde Sängerin tanzt auf der Bühne wie ein wilder Derwisch, benutzt schon mal ein Megafon zum Singen und hat ihr Gesicht mit goldenen Ornamenten verziert.
Hinter Sista K verbirgt sich der französisch-deutsche Vorname Karin und der arabische Nachname Hallakoun. »Karin« verweist auf ihre litauisch-aschkenasische Familie mütterlicherseits, »Hallakoun« hingegen auf ihren Vater, einen sefardischen Berber aus Algerien. »Mein Bruder wurde in Israel geboren. Ich bin die einzige Französin in der Familie und ich bin aus Marseille. Es gibt viele Immigranten in der Stadt. Also bin ich am richtigen Ort«, sagt die Sängerin stolz.
Angesprochen auf ihre Identität, verrät Karin Hallakoun, dass sie ihre afrikanische Seite erst vor rund zehn Jahren bei einer Reise nach Algerien entdeckt hat. »Ich wurde im Norden von Marseille geboren, wo es viele Araber und Muslime gibt. Ich fühlte mich dort weder jüdisch noch arabisch.
Mir war das egal. Mein Vater ist Berber. Viele Berber sind jüdisch, denn vor der arabischen Invasion im Norden Afrikas gab es dort viele Juden und Berber. Meine Familie stammt wirklich aus Afrika. Mein Großvater war fast schwarz und so traf ihn der Schlag, als sie im Unabhängigkeitskrieg zu Franzosen erklärt wurden – denn sie hatten keine Beziehung zu Frankreich.«
Grenzen Seit der Konflikt zwischen Israel und Palästina eskaliert ist, hat sich das tolerante Miteinander selbst im Melting-Pot Marseille verändert. Die Leute unterscheiden jetzt zwischen Arabern und Juden, sagt Sista K. Ganz im Gegensatz zu der Sängerin selbst.
Sie singt auf Jiddisch genauso wie auf Arabisch. Auf Englisch, Spanisch und Französisch und zuweilen sogar auf Hebräisch. Aber egal was – es ist immer politisch gemeint. In den Songs geht es um Grenzen; zwischen Arm und Reich, zwischen Afrika und Europa.
Kein Wunder, dass bei dieser biografischen Buntheit auch die Musik ein vielschichtiges Gemisch ist: Von Drum ‹n’ Bass und Hip Hop ist da die Rede, von Chabi und Gnawa. Dazu spielen Gastmusiker aus aller Herren Länder auf. Mit Fanfare Ciocarlia spielt sogar eine ganze Balkanbrass-Band mit. Ein geradezu babylonisches Miteinander der Stimmen. Dazu passt der Album-Titel »Radio Babel«. Das ist nicht Multikulti-Klamauk, sondern gelebte Neugier.
Watcha Clan: Radio Babel. Piranha 2011/Indigo
Die Band ist zurzeit auf Deutschland-Zour:
8. April, Karlsruhe – Tollhaus
9. April, Freiburg – Jazzhaus
11. April, Mannheim – Alte Feuerwache
14. April, Berlin – Lido
15. April, Kassel – Schlachthof
17. April, Köln – Gloria/ Radio Show Trafico on Funkhaus Europa