Jüdisches Leben in seiner ganzen Vielfalt ist jetzt mitten im üblicherweise sehr belebten Hauptgebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel zu sehen. Dort stellt der deutsch-israelische Fotograf Rafael Herlich 25 seiner farbenfrohen Fotos von Juden und Nichtjuden in Deutschland aus. Das Motto der Ausstellung ist »Gesicht zeigen gegen Rassismus und Antisemitismus – für mehr Gemeinsamkeit«.
Herlich, Sohn eines Schoa-Überlebenden, sieht seine Arbeit als ein Statement für mehr Toleranz und einen Beitrag zum Dialog der Kulturen. Die Fotos porträtieren Menschen verschiedener Altersgruppen, Religionen und Herkunft und zeigen sie in ihrem Alltag.
Am Dienstag wurde die Ausstellung im Beisein des Fotografen von Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP) eröffnet. Rafael Herlich, 1954 in Tel Aviv geboren und 1975 nach Deutschland ausgewandert, lebt in Frankfurt. Er ist mittlerweile einer der führenden Chronisten jüdischen Lebens hierzulande.
GESCHICHTE In seiner Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung schilderte der Fotograf nicht nur im Rückblick auf seine Familiengeschichte, warum ihm seine Arbeit für mehr Toleranz so wichtig ist. Sein eigener Vater habe lange nicht über seine schrecklichen Erfahrungen im NS-Ghetto Lodz sprechen können, sagte Herlich.
Zudem benannte er auch Vorfälle von Antisemitismus an deutschen Schulen. Er habe sich deshalb schon vor vielen Jahren entschieden, seine Bilder vor allem jüngeren Menschen nahezubringen. »Ich will mit meinen Bildern von Holocaust-Überlebenden die Leute dazu bringen, sich zu fragen: Was war Auschwitz? Was ist dort passiert?«
Nicola Beer, die auch der Arbeitsgruppe gegen Antisemitismus im Europaparlament vorsitzt und seit einigen Monaten auch Sonderbeauftragte gegen Antisemitismus und religiöse Diskriminierung ist, erklärte: »Man sieht den Fotos an, dass sie zu einer Diskussion über die Vielfalt einladen wollen.« Trotz ihrer Unterschiedlichkeit stünden alle Menschen in Europa auf ein und demselben Fundament, so die Frankfurter Europaabgeordnete und ehemalige FDP-Generalsekretärin. »Einheit bedeutet nicht Uniformität, sondern vielmehr, dass es eine gemeinsame Basis gibt, auf der wir alle stehen.«
RESPEKT Auch Seyran Ateş, Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, kam bei der Ausstellungseröffnung in Brüssel zu Wort. »Jedes dieser Bilder erzählt mir einen Roman«, sagte sie. Die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin sagte, die Grenzen der Toleranz lägen dort, wo Minderheiten diskriminiert würden.
Jeder Mensch habe das Recht, sein eigenes Leben so zu gestalten, wie er dies möchte. Die Bilder Rafael Herlichs zeigten, dass Vielfalt dann möglich sei, wenn man einander respektiere. »Vielfalt muss man leben und nicht nur darüber reden«, betonte Ateş. Sie dankte Herlich, dass er mit seinen Fotos mithelfe, »die Angst vor dem Fremden zu nehmen«.