Zwei junge Deutsche im Krieg. Der eine ist Reporter, der andere Fotograf. Es ist Oktober 1973, Jom-Kippur-Krieg. Die Männer begleiten die Panzertruppe des Generals Ariel Sharon beim Vormarsch in der Sinai-Wüste.
Es ist Nacht, über ihnen leuchten die Sterne. »Ich konnte nicht schlafen, es gibt nichts Aufwühlenderes als die Milchstraße über der Wüste«, wird der Reporter Franz-Josef Wagner in seinen Erinnerungen Brief an Deutschland schreiben. Auch den Fotografen Sven Simon wird der Anblick nicht mehr loslassen.
vater und sohn Bisweilen erzählen Fotos Geschichte. Manchmal sind sie nach einiger Zeit selbst Geschichte. Dann werden sie zu den Momentkunstwerken der Erinnerung. Schnappschuss und Ewigkeit – das schließt sich nicht aus. Erst durch den genial kalkulierten Zufall bekommt die Ewigkeit ein menschliches Gesicht. Sven Simon wusste das. Und er kannte die Verpflichtung, die daraus erwuchs.
»Sven Simon« war ein Pseudonym. Der Fotograf hieß eigentlich Axel Springer junior. Dieser übergroße Namen öffnete Türen. Aber es ließ sich damit kein eigenes Leben führen. Sein Vater reiste im Juni 1966 das erste Mal nach Israel. Für den deutschen Großverleger wurde Israel sofort zur Herzensangelegenheit, ja, zu einer Liebesgeschichte. »Man übertreibt nicht, wenn man feststellt, dass er dort von nun an so etwas wie ein zweites Vaterland fand«, resümiert Springers Biograf Hans-Peter Schwarz.
Sein Verlag fühlt sich bekanntlich bis heute programmatisch dem »Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen« verpflichtet. Die Ausstellung Bild dir dein Volk!, die noch bis Ende Juli im Jüdischen Museum Frankfurt/Main zu sehen ist, gewährt tiefe Einblicke in diese auch spirituell getragene Freundschaft des Verlegers zum jüdischen Volk und zu Israel.
liebevoll Mehr als 30 Mal besuchte Axel Springer senior Israel. Häufig mit in der Entourage: Sohn Sven Simon. Wann und wo immer man sich heute mit Springer und Israel beschäftigt, stößt man auf die Fotos von Sven Simon. Doch der war mehr als nur der Sohn. Er hatte ein eigenes Auge für Israel, seinen besonderen Blickwinkel.
Sven Simon war ein Meister der kleinen Augenblicke, einer der raren Fotografen, der Menschen mehr liebte als die Kamera. Seine besten Bilder zeigen Momente, die – durch ihn festgehalten – auch noch Jahrzehnte später unmittelbar auf den Betrachter wirken. Seine Bilder aus dem Sechstagekrieg etwa, der sich gerade zum 45. Mal jährt. Oder ein Foto, das Springers publizistisches Flaggschiff Die Welt zum 25. Jahrestag der Staatsgründung 1973 druckte: David Ben Gurion ist darauf mit seinem Enkelsohn zu sehen.
Privater geht es nicht mehr. Symbolischer auch nicht. Der Enkel, der noch nicht allzu lange laufen kann, und der Staatsgründer, der ihn an der Hand hält. Sieben Monate später starb Ben Gurion. Diese Fotos prägten das Bild Israels in der Bundesrepublik. Sie zeigten den jungen Staat ganz anders, als man ihn sich vorstellte. Beinahe nebenbei wurde Simon so zu einer Art Chronist des jüdischen Staates, der wichtige Etappen der Geschichte Israels in Bildern festhielt. Bilder, die gelegentlich nicht ohne Komik sind.
Da sieht man Konrad Adenauer mit israelischen Politikern. Der Alte im strengen Dreiteiler. Um ihn herum trägt man lockere Leinenhosen und offene Hemden. Und immer wieder der übermächtige Vater, mal in Ben Gurions Privatbibliothek oder auf den Golanhöhen.
vergessen Sven Simon starb 1981 durch eigene Hand. Heute, mehr als dreißig Jahre danach, sind seine Israelbilder vergleichsweise in Vergessenheit geraten, anders als etwa seine Sportfotografien. Simons Foto von Uwe Seeler, der 1966 mit hängendem Kopf das Spielfeld des Wembley-Stadions verlässt, wurde zum »Sportfoto des Jahrhunderts« gewählt.
Die Welt am Sonntag stiftete einen mit 14.000 Euro dotierten Sven-Simon-Preis für Natur- und Sportfotografie. Am Falkenstein in Hamburg heißt ein kleiner Park nach ihm. Aber ein großer Bildband mit den Israelfotografien fehlt. Es wäre schade, wenn die Bilder, die so viel Geschichte erzählen, dem kollektiven Gedächtnis verloren gingen. Herr Döpfner, bitte übernehmen Sie.