»Rock the Casbah«, der internationale Hit von »The Clash« gab diesem Film den Titel: Eine Gruppe israelischer Soldaten tritt ihren Dienst in den besetzten Gebieten an. Allmählich eskalieren die Auseinandersetzungen mit der palästinensischen Bevölkerung, irgendwann wird einer der Soldaten nur halb absichtlich von einer Wasch- maschine erschlagen, die vom Dach eines Wohnhauses gestürzt wird. Um den Täter zu finden, werden einige Soldaten auf dem Dach stationiert. Nun lernen sie die Palästinenser auf eine neue Weise kennen ...
kriegsfilm Der israelische Regisseur Yariv Horowitz leistete seinen Militärdienst selbst in den besetzten Gebieten ab. In seinem ersten Langfilm verarbeitet er seine Erfahrungen. Rock the Casbah konzentriert sich auf die Psyche der Beteiligten. Dies ist ein eher meditativer Kriegsfilm, der mit den klassischen Stilelementen des Genres spielt. Einerseits zeigt der Regisseur, wie Krieg alle Beteiligten denaturieren kann, zugleich weckt er aber beim Zuschauer mehr und mehr Verständnis für die Lage der Soldaten, die sich von Feinden umgeben fühlen und die Entscheidungen der Politik ausbaden müssen. Nach anfänglicher Eskala- tion werden die üblichen Mechanismen von Schlag und Gegenschlag außer Kraft gesetzt, und als die Truppe am Ende ersetzt wird, hat auch sie eine Lektion gelernt.
Das israelische Kino boomt und gewinnt zurzeit Preise auf vielen Festivals der Welt. Einen Berlinale-Bären wird es dieses Jahr aber nicht geben. Denn unter den 19 Filmen im Wettbewerb findet sich kein einziger Film aus dem jüdischen Staat. Dafür gleich drei in der – erfahrungsgemäß oft etwas publikumsaffineren, aber auch mitunter populistischeren – Sektion »Panorama«.
Der zweite israelische Spielfilm dort neben Rock the Casbah ist Youth, der erste Langfilm des 31-jährigen Tom Shoval, dessen Kurzfilme bereits mehrere internationale Auszeichnungen erhielten. Shoval, der einen Lehrauftrag an der renommierten Jerusalemer Filmakademie »Sam-Spiegel-School« hat, hat sich auch als Regisseur einiger prämierter Musikvideos einen Namen gemacht und ist Mitbegründer der »Baboon Group«, eines Kollektivs unabhängiger Regisseure.
groteske Youth spielt in Petach Tikva, einer Satellitenstadt bei Tel Aviv, in der Shoval auch aufwuchs. Im Zentrum stehen die Brüder Yaki und Shaul. Yaki leistet gerade seinen Militärdienst ab. Währenddessen schwärmt Shaul für ein hübsches Mädchen aus der Nachbarschaft und folgt ihr heimlich auf Schritt und Tritt, filmt sie mit dem Handy.
Was als Geschichte jugendlicher Langeweile beginnt und als Porträt der israelischen Mittelklasse in der Krise verstanden werden kann – der Vater der beiden ist arbeitslos, der Familie drohen Wohnungsverlust und sozialer Absturz – wendet sich in eine hochbrisante Groteske, als die beiden Brüder am Wochenende das Mädchen entführen, im Keller verstecken und Lösegeld fordern wollen. Doch sie haben nicht bedacht, dass Schabbat ist.
Im Gegensatz zu Youth ist der Dokumentarfilm State 194 konventionell, zugleich bietet er aber selten zu sehende Einblicke ins Innere des Politikbetriebs. Im Stil einer journalistischen Reportage geht es um die Autonomieverhandlungen zwischen Israel, der palästinensischen Führung und der UNO im Herbst 2011. Regisseur Dan Setton erhielt auf palästinen- sischer wie israelischer Seite exklusiven Zugang zu den Zirkeln der Macht und interviewte die wichtigsten politischen Ak-
teure, Aktivisten und Lobbyisten beider Seiten.
retrospektive Neben diesen israelischen Filmen sind noch eine Reihe von Werken jüdischer Regisseure auf der Berlinale zu sehen. Besondere Aufmerksamkeit dürfte unter ihnen Noah Baumbach erfahren, 2010 mit Greenberg im Wettbewerb und ansonsten vor allem als Drehbuchautor von Wes Anderson in Erscheinung getreten: In Frances Ha, das im »Panorama«-Programm läuft, erzählt Baumbach ein Großstadtmärchen rund um eine junge Frau, gespielt von Shootingstar Greta Gerwig.
Die Retrospektive des Festivals widmet sich dieses Jahr dem »Weimar Touch«, also den Spuren, die die deutschen Film-Emigranten und mit ihnen die 15 größten Jahre des deutschen Films in der Welt hinterlassen haben. Die Reihe dürfte eher eine Idee des New Yorker Museum of Modern Art gewesen sein, mit dem zusammen sie kuratiert wurde. Darauf deutet unter anderem die Tatsache hin, dass sie den Berlinale-Verantwortlichen erstmals seit Jahrzehnten keinen Katalog wert war.
Auffällig ist auch die deutliche US-Lastigkeit der Auswahl. Als ob die deutschen Film-Emigranten nur in Hollywood und nicht auch in vielen anderen Teilen der Welt gewirkt hätten. Immerhin bietet sich hier eine Gelegenheit, Klassiker wie Max Reinhardts A Midsummernight’s Dream, Anatole Litvaks Confessions of a Nazi Spy oder Fritz Langs Hangmen also die – 1943 gedreht nach Bertolt Brechts Drehbuch über das Heydrich-Attentat – einmal im Kino oder überhaupt einmal anzusehen.
All dies wird aber durch den diesjährigen Preisträger des Goldenen Ehrenbären in den Schatten gestellt: Den erhält der 87-jährige Franzose Claude Lanzmann für sein Lebenswerk. Die Preisverleihung findet am Donnerstag, den 14. Februar statt. Bereits am Tag zuvor wird Lanzmann der Vorführung des ersten Teils seines Meisterwerks Shoah beiwohnen und anschließend mit dem Publikum diskutieren.
www.berlinale.de