Serie

Geschichte des Überlebens und der Liebe

Jonah Hauer-King als Lali und Anna Prochniak als Gita in der Serie Foto: IMAGO/Landmark Media

»Eine Weile lang schien wirklich jeder in Großbritannien dieses eine Buch zu lesen. Von meiner Frisörin bis hin zu dem Mann, der unsere Waschmaschine reparierte!« Die Produzentin Claire Mundell scheint immer noch ein wenig zu staunen, wenn sie daran zurückdenkt, wie aus dem 2018 erschienen Roman Der Tätowierer von Auschwitz der Neuseeländerin Heather Morris eine Serie wurde.

»Dass eine solche Geschichte – über die schrecklichen Erinnerungen eines Holocaust-Überlebenden – auf derartige Resonanz im Mainstream stieß, fand ich enorm erstaunlich. Und es war natürlich ein Segen für unsere Adaption, denn die Rechte an dem Stoff konnten wir uns schon sichern, bevor der Roman erschien und zum weltweiten Bestseller wurde.«

Der Film basiert auf wahren Begebenheiten

In der auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des slowakischen Juden Lali Sokolov (in der Serie als junger Mann sehenswert gespielt vom jüdischen Briten Jonah Hauer-King), der 1942 in Auschwitz für das Tätowieren der Häftlingsnummern verantwortlich gemacht wurde und sich dabei in Gita (Anna Próchniak) verliebt, erkannte Mundell ganz unabhängig vom späteren Erfolg des Buches auf Anhieb eine Relevanz, die weit über die Liebesgeschichte hinaus ging.

»Ich war schockiert zu lesen, dass rund 50 Prozent der jungen Leute zwischen 16 und 24 Jahren nicht mehr wissen, was der Holocaust war«, sagt die Produzentin zur Jüdischen Allgemeinen über die Motivation zu ihrer neuen Serie, die ab dem 8. Mai bei Sky zu sehen ist. »Zu meiner Zeit konnte man eigentlich nicht zur Schule gehen, ohne ausführlich über dieses dunkelste Kapitel des 20. Jahrhunderts unterrichtet zu werden. Dass es da heutzutage offenbar massiven Nachholbedarf gibt, ist der beste Grund, immer wieder aufs Neue Geschichten aller Art darüber zu erzählen.«

Gerade weil Mundell selbst keinerlei persönlichen Bezug hat zu der Geschichte, die der echte Lali Sokolov der Debütautorin Heather Morris persönlich anvertraute (was in der Serie zur mit Harvey Keitel und Melanie Lynskey prominent besetzten Rahmenhandlung wird), war für sie die Suche nach der idealen Person hinter der Kamera besonders relevant.

»Bei Serien werden normalerweise nicht alle Folgen von ein- und derselben Person inszeniert, doch in diesem Fall hatte es für mich absolute Priorität, dass wir mit einer ganz klaren, präzisen Vision der Geschichte von Lali und Gita gerecht werden und ihnen verantwortungsvoll Respekt zollen. Deswegen wollte ich unbedingt eine Person finden, die wirklich ein Verständnis und Gespür hat für die Abgründe aus Schuld und Scham, die in dieser Geschichte über ein Paar stecken, das auch deswegen überlebte, weil es in gewisser Weise Teil des KZ-Systems wurde.«

Die israelische Regisseurin Tali Shalom Ezer ist Enkelin von Schoa-Überlebenden

Die Wahl fiel auf die israelische Regisseurin Tali Shalom Ezer, der vor zehn Jahren der Durchbruch mit Princess gelang (dem Leinwanddebüt von Shira Haas) und die anschließend bereits mit der lesbischen Liebesgeschichte My Days of Mercy internationale, englischsprachige Erfahrungen sammelte. Shalom Ezer ist selbst Enkelin von Holocaust-Überlebenden und zeichnet nun für die gesamten Dreharbeiten zu The Tattooist of Auschwitz, die überwiegend in der Slowakei stattfanden, allein verantwortlich.

»Natürlich spielte meine eigene Familiengeschichte bei diesem Projekt für mich eine wichtige Rolle. Doch ganz unbewusst habe ich diesen persönlichen Bezug während der Arbeit eigentlich komplett ausgeblendet«, berichtet Shalom Ezer. »Wir waren im Zuge der Vorbereitung und Dreharbeiten immer wieder in der Gedenkstätte in Auschwitz, und erst beim allerletzten Besuch, als alle Szenen im Kasten waren, sprach ich darüber, wie nah es mir ging, dass die gesamte Familie meines Großvaters an diesem Ort ihre Leben verloren hatten.«

Sie fährt fort: »Seine elf Geschwister, seine Eltern, seine erste Frau, seine erste Tochter – sie alle wurden in Auschwitz ermordet. Doch mit uns hat mein Großvater nie über den Holocaust gesprochen. Deswegen war seine Geschichte auch nichts, was ich mir für dieses Projekt zu eigen machen wollte. Stattdessen habe ich mich vollkommen der unglaublichen Geschichte von Lali und Gita verschrieben, die ausgerechnet in diesem auf Entmenschlichung angelegten System dank ihrer zutiefst menschlichen Gefühle überlebt haben.«

Das Grauen der KZs fängt The Tattooist of Auschwitz eindrücklich ein, das komplexe Verhältnis zwischen Lali und dem SS-Offizier Baretzki (Jonas Nay) wird nicht simplifiziert und den Toten und den Traumata, die das Leben des Protagonisten bis zum Ende begleiten, wird respektvoll Ehre erwiesen.

Trotzdem ist die Serie für Mundell und Shalom Ezer vor allem eine Geschichte des Überlebens, der Hoffnung und der Liebe. Dass damit einerseits eine gewisse Kitschgefahr einherging und andererseits bereits der literarischen Vorlage historische Ungenauigkeiten vorgeworfen wurde, war den beiden durchaus bewusst.

»Wir haben auf jeder einzelnen Drehbuchseite hinterfragt, ob wir den richtigen Tonfall treffen, und alle Details intensiv mit unserer Beraterin besprochen«, sagt die Produzentin mit Blick auf Naomi Gryn, die als »historical & Jewish cultural consultant« für größtmögliche Authentizität sorgen sollte.

Am Ende aber standen stets die Erinnerungen von Lali Sokolov im Zentrum. Und die Botschaft, dass – so formuliert es dessen Sohn Gary im Presseheft zur Serie – selbst die schlimmsten Zeiten irgendwann zu Ende gehen.

Barbra Streisand steuerte einen Song bei

Hoffnung stiften will auch Barbra Streisand mit dem Song »Love Will Survive«, den die Sängerin zur Serie beigesteuert hat. Der mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von William Ross aufgenommene Titel wurde von dem zweifachen Oscar-Preisträger Hans Zimmer (Dune, Der König der Löwen) und der Film- und TV-Komponistin Kara Talve geschaffen. Den Text schrieb Charlie Midnight.

»Angesichts des weltweit zunehmenden Antisemitismus wollte ich ›Love Will Survive‹ im Rahmen dieser Serie singen, um der sechs Millionen Menschen zu gedenken, die vor weniger als 80 Jahren ihr Leben verloren«, wird Streisand zitiert: »Und auch um zu sagen, dass selbst in den dunkelsten Zeiten die Kraft der Liebe triumphieren und überdauern kann.«

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