Nachruf

Genie und Wahnsinn

Der amerikanische Produzent Phil Spector prägte die Musik einer ganzen Generation. Nun verstarb er im Alter von 81 Jahren

von Sophie Albers Ben Chamo  21.01.2021 10:36 Uhr

Erfand die »Wall of Sound«: Phil Spector Foto: imago images/ZUMA Wire

Der amerikanische Produzent Phil Spector prägte die Musik einer ganzen Generation. Nun verstarb er im Alter von 81 Jahren

von Sophie Albers Ben Chamo  21.01.2021 10:36 Uhr

Der Fall Phil Spector sorgte 2003 weltweit für Schlagzeilen: Dem exzentrischen Wunderkind der Popmusik der 50er- und 60er-Jahre, dem Sound-Geber für Bands wie die Beatles, Beach Boys oder auch The Velvet Underground, wurde vorgeworfen, in seinem Haus in Kalifornien die Schauspielerin Lana Clarkson erschossen zu haben.

Es dauerte Jahre, bis ihm der Prozess gemacht wurde. 2009 verurteilte eine Jury den damals knapp 70-Jährigen schließlich zu 19 Jahren Haft. Er hat das Gefängnis nicht mehr lebend verlassen. Am 16. Januar erlag Spector den Komplikationen einer Covid-19-Infektion.

bronx Es war ein kompliziertes Leben, von Anfang an. Der schmale, kränkelnde Sohn jüdisch-russischer Einwanderer wuchs in den 40er-Jahren in der Bronx auf. Er war acht Jahre alt, als sein Vater sich das Leben nahm. »To know him was to love him«, stand auf dem Grabstein, »ihn zu kennen, hieß, ihn zu lieben«.

Die Mutter zog mit den Kindern bald nach Los Angeles, wo Spector vollends den Anschluss verlor. Einziger Halt wurde die Musik, und schließlich gründete er sogar eine Band. Er war gerade einmal 18, als sein Song »To know him is to love him« die Charts stürmte. Drei Wochen auf Platz 1. Für die Zuhörer war es ein Lied über Teenager-Gefühle.

Plötzlich war der Außenseiter gefragt, und es folgten Jahre fast ununterbrochenen Erfolgs.

Plötzlich war der Außenseiter gefragt, und es folgten Jahre fast ununterbrochenen Erfolgs, in denen Spector den berühmten »Wall of Sound« schuf, die ihm eigene Art der Musikproduktion, in der eine vor Instrumenten, Effekten und Lautstärke überbordende Aufnahme den Zuhörer schlicht überwältigt. »Kleine Symphonien für die Kids«, so hat er selbst es einst beschrieben. Mit Mitte 20 hatte er bereits zwei Dutzend Hit-Singles veröffentlicht und war Millionär.

teenager-tycoon Spector arbeitete mit den gefeierten Girl-Bands The Crystals und The Ronettes. Er produzierte Ike & Tina Turner und die Ramones. Er rettete das Beatles-Album Let it be. Ob Brian Wilson von den Beach Boys oder Bruce Spingsteen: So wie Filmemacher immer wieder auf Stanley Kubrick verweisen, verbeugten sich Musiker vor Phil Spector. Starautor Tom Wolfe schrieb einen ganzen Essay über den »ersten Teenager-Tycoon«. John Lennon nannte ihn den »größten Musikproduzenten aller Zeiten«.

Der frühe, alles überstrahlende Ruhm war es womöglich, der die dunkle Seite des jungen Menschen zum Vorschein brachte. Hatte Spector als Kind und Teenager keine Kontrolle über sein Leben, so saß er nun an den Reglern. Im Aufnahmestudio bestimmte er jedes noch so winzige Detail. Wenn es sein musste, mit Gewalt.

waffennarr Spector war für exzentrische Auftritte bekannt, galt als Waffennarr und trug Pistolen passend zum Outfit. Bei einer Aufnahme mit John Lennon soll er in die Decke geschossen haben. Es heißt, er habe Leonard Cohen bei einem Streit die Waffe an den Kopf gehalten. Es waren aber vor allem immer wieder Frauen, die er mit gezogener Waffe zum Gehorsam zwingen wollte. Seien es Musikerinnen oder die eigene Frau.

Mit der Zeit wurde der Phil-Spector-Sound unmodern, und der Starproduzent zog sich fast völlig aus dem Musikgeschäft zurück. Sein Anwesen am Rande von Los Angeles verließ er kaum noch. Bis auf Gerüchte und Berichte über vereinzelte Ausfälle geriet der Mann, der einst die Rockmusik neu erfand, in Vergessenheit. Bis zu der Nacht, als Lana Clarkson zu ihrem Mörder ins Auto stieg.

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025