Natürlich ist Fritz Lang, der 1890 in Wien geborene Sohn einer jüdischen Mutter, die noch vor seiner Geburt zum Katholizismus konvertierte, der Schöpfer und geniale Regisseur von M (1931). Dieser Film über einen von Peter Lorre (geboren als László Loewenstein) beängstigend intensiv gespielten Kindermörder ging in die Filmgeschichte ein. Und auch mit seinen frühen deutschen Stummfilmen wie Die Nibelungen oder Metropolis hat Fritz Lang – damals wie heute – stets polarisiert.
Die Biografie von Fritz Lang steht seinem aufregenden Werk in nichts nach. Seine zweite Frau Thea von Harbou stand den Nazis ab den 30er-Jahren zunehmend nahe. Schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers ließ der Regisseur sich deshalb von ihr scheiden – und verzichtete auf ein Angebot Joseph Goebbels’, zum neuen Leiter eines »wahrhaft nationalsozialistischen Films« zu werden. Im Juli 1933 emigrierte er zunächst nach Frankreich und später in die USA, wo er 1943 den Antinazifilm Auch Henker sterben drehte.
berüchtigt Stoff genug für einen Spielfilm über Fritz Lang war also vorhanden, und in Zeiten, in denen nicht nur in Hollywood, sondern auch in Europa die sogenannten Biopics, also filmische Biografien, boomen, war die Verfilmung für das deutsche Kino auch keine allzu schlechte Idee.
Allein, dieser Film will kein Biopic sein, sondern vom »anderen« Fritz Lang erzählen. Paradoxerweise beginnt die Fiktion Fritz Lang mit Peter Kürten, dem berüchtigten Frauen- und Kindermörder, der als »Vampir von Düsseldorf« 1929 eine schauderhafte und brutale Mordserie beging. Regisseur Gordian Maugg macht so schon in seiner Eingangssequenz deutlich, worum es ihm in seinem Film über Lang wirklich geht: die (angebliche) Verbindung zwischen Kürten (als reales Vorbild zum von Peter Lorre verkörperten M) und Lang.
Dabei bemüht Gordian Maugg in den rund 100 Minuten seines Films nur allzu oft das Klischee vom Künstler zwischen Genie und Wahnsinn. Lang war ein Bonvivant, ein Lebemann, der sich fast wie ein Aristokrat gebärdete und zu dessen Markenzeichen sein Monokel wurde. Im Film wird er von Heino Ferch verkörpert, aber so ganz nimmt man dem Schauspieler seine Rolle dann doch nie ab. Das liegt nicht nur daran, dass Ferch nicht annähernd so aussieht wie Lang und schon gar nicht so markant spricht. Das Problem ist vielmehr, dass der deutsche Star für diese Rolle schlicht zu bekannt ist, um den Filmemacher zu spielen. Mit Ferchs Gesicht verbinden sich viel zu viele Rollen, um Lang glaubhaft verkörpern zu können.
Virtuos Eine Entschädigung für diesen Besetzungsfehler bieten dagegen einige wenige, wenngleich geniale Aufnahmen: In einer fast schon geschmacklosen Szene nach nur sieben Minuten treibt es der vollständig mit Hut und Anzug gekleidete Lang mit einer Straßendirne vor einem Hinterhofgitter. Währenddessen ziehen auf der Leinwand Bilder von Aufmärschen der SA und Kommunisten zur Zeit der Weimarer Republik vorbei, die in eine rasende Collage mit weiteren erotischen Szenen mündet, die man so im Kino bislang noch nicht gesehen hat.
Diese Virtuosität der Bilder vermag zu betören, und zweifellos ist der Film schön anzuschauen. In bestechenden Schwarz-Weiß-Bildern im werkgetreuen Academy Format 4:3 ehrt Regisseur Maugg die Bildästhetik der deutschen Filme von Fritz Lang. Nur leider gehören zu einem überzeugenden künstlerischen Autorenfilm nicht nur Form, Stil und Ästhetik. Im Idealfall sollte ein Film – wenn er schon vorgibt, aus dem Leben einer berühmten Persönlichkeit wie Fritz Lang zu erzählen – ein Drehbuch zur Grundlage haben, das nicht nur rein spekulativ ist.
Und genau daran krankt Fritz Lang, in dem zu wüst mit Fakten umgegangen wird. So werden Treffen zwischen dem Mörder Peter Kürten und dem Filmregisseur Fritz Lang frei erfunden. Das gipfelt in einer wirklich peinlich-melodramatischen Szene, in der auch Fritz Lang gesteht, ein Mörder zu sein. Viel spannender dagegen ist die verbürgte und erst seit wenigen Jahren bekannte Tragödie um Fritz Langs erste, jüdische Ehefrau Elizabeth Rosenthal. Beide hatten 1919 in Berlin geheiratet und zusammengelebt. Allerdings hatte der Regisseur schon bald darauf eine Affäre mit Thea von Harbou.
verstörend Als Elisabeth ihren Ehemann eines Tages mit Thea von Harbou in der eigenen Wohnung bei einem eindeutigen Techtelmechtel überrascht hatte, kam es zu einem nie näher geklärten tödlichen Unglück. Fritz Lang hat über seine erste Frau Zeit seines Lebens beharrlich geschwiegen. Anstatt auf die Kraft dieser verstörenden Geschichte zu vertrauen, erfindet Regisseur Maugg diverse Verwicklungen hinzu, die historisch reiner Humbug sind. Der mit der Aufklärung des späteren Kürten-Falls beauftragte Kriminalkommissar soll demnach auch schon gegen Fritz Lang als Mörder ermittelt haben.
Natürlich darf sich ein Spielfilm kreative und künstlerische Freiheiten erlauben. Wenn diese aber wie im vorliegenden Werk an billige Küchenpsychologie erinnern und permanent plumpe Parallelen zwischen den berüchtigten Psychopathen und Mördern der Langschen Werke wie Dr. Mabuse und M sowie Fritz Lang selbst gezogen werden, dann wird Filmgeschichte verfälscht.
Am Ende des missglückten Films weiß der Zuschauer auch nicht mehr, was das Ganze soll und für wen dieses Werk eigentlich gedreht worden ist. Wie schon in Hans Steinbichlers schauspielerisch und dramaturgisch völlig danebengegangenem Film Das Tagebuch der Anne Frank über das Schicksal des Frankfurter Mädchen hat das deutsche Kino auch bei Fritz Lang wieder einmal ein deutsch-jüdisches Thema grandios verschenkt.
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