KISS

Gene Simmons wird 75

Gene Simmons Foto: imago images/MediaPunch

Seine silbernen Plateaustiefel hat Gene Simmons ein für alle Mal ausgezogen, das schwere Kostüm abgelegt und sich abgeschminkt. Nach 50 Jahren hat der Bassist und Sänger mit seiner ikonischen Band Kiss im vergangenen Dezember das allerletzte Konzert gespielt. Für ihn selbst kommt ein Abschied von der Bühne nicht infrage. Der Kultrocker mit der langen Zunge, der am 25. August 75 Jahre alt wird, tritt jetzt ohne sein berühmtes Make-up auf.

Abschied von Kiss, aber nicht von der Bühne

Dass es Simmons nicht lange ohne öffentliche Auftritte aushalten würde, war absehbar. 2022 hatte er erzählt, was er nach dem Kiss-Abschied am meisten vermissen werde. »Die Magie der Bühne«, sagte er. »Wenn man auf der Bühne steht, kann man fast verstehen, warum jemand der Papst sein möchte. Wenn du am Ostersonntag vor einer Viertelmillion Menschen stehst, die Arme ausstreckst und alle jubeln, gibt es kein vergleichbares Gefühl.«

So viele Menschen wie das geistige Oberhaupt zog die Band bei einzelnen Konzerten zwar nicht an. Doch immer wieder füllte sie mit ihren spektakulären Shows die großen Arenen und Stadien. Ihr größtes Konzert fand 1983 im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro statt – vor geschätzten 137.000 Menschen.

Auf ihrer mehrjährigen »End Of The Road«-Tournee, die wegen der Corona-Pandemie unterbrochen werden musste, spielten Kiss zwischen 2019 und 2023 rund 250 Konzerte. Die letzten beiden Shows fanden in ihrer Heimatstadt New York City im Madison Square Garden statt.

Traum von Geld und Frauen

Nur ein paar Straßenblöcke davon entfernt hatten Kiss im Jahr 1973 ihren ersten Auftritt absolviert – vor etwa zehn Leuten. Seine damalige Freundin sowie die Frau von Schlagzeuger Peter Criss und ein paar Freunde seien im Popcorn Pub im Stadtteil Queens dabei gewesen, erzählte Simmons im dpa-Interview zum 50. Bandjubiläum. Die Kostüme und das Make-up von Simmons, Criss, Sänger und Gitarrist Paul Stanley und Leadgitarrist Ace Frehley waren damals noch spärlich.

Gemeinsam mit Stanley hatte Simmons zunächst die Band Wicked Lester gegründet, die sogar schon Songs für ein geplantes Album aufnahm, das jedoch nie erschien. Simmons und Stanley gründeten eine neue Band und planten Spektakuläres. Von Beginn an verband das Duo Ehrgeiz und Hartnäckigkeit, dieser unbedingte Wille, berühmte Rock’n’Roll-Stars zu werden. In späteren Interviews verriet Simmons immer wieder unverblümt, was seine Motivation gewesen sei – nicht etwa die Musikleidenschaft, sondern Geld und Frauen.

Von Israel in die USA

Wie Stanley kommt Simmons aus einer jüdischen Familie. Als Chaim Witz wurde er am 25. August 1949 in Haifa geboren. Seine aus Ungarn stammende Mutter Flora Klein hatte die Konzentrationslager der Nazis in Ravensbrück, Flossenbürg und Mauthausen überlebt, bevor sie nach Israel emigrierte. Das hatten Recherchen der »Bild« ergeben. Als Simmons vor zwei Jahren die entsprechenden Dokumente zu sehen bekam, kämpfte der sonst so coole Rockstar mit den Tränen.

Im Alter von acht Jahren zog er mit seiner Mutter in die USA. Der Vater blieb in Israel und gründete erneut eine Familie. Aus dem kleinen Chaim Witz wurde in Amerika Eugene Klein. Mit Beginn seiner Musikerkarriere benannte er sich dann in Gene Simmons um. So wollte der Rocker, der in seinem Kiss-Kostüm als »The Demon« (der Dämon) auftrat und Feuer und (Kunst-)Blut spuckte, noch amerikanischer klingen.

Streben nach dem amerikanischen Traum

Der in Armut aufgewachsene Simmons verschrieb sich dem »American Dream«. Nachdem ihm mit Kiss der Durchbruch als Rockstar gelungen war, wurde er auch zum erfolgreichen Geschäftsmann. Er machte aus Kiss eine Marke und sorgte dafür, dass das Bandlogo und die ikonischen Bühnenfiguren für Spielzeug, Kleidung und unzählige Produkte lizenziert wurden. Beinharte Fans können sich heute sogar in einem Kiss-Sarg beerdigen lassen.

Ein Ausflug ins Filmgeschäft wurde für Kiss zum Flop. Der Film »Kiss Meets The Phantom Of The Park« aus dem Jahr 1978, der in Deutschland als »Kiss – Von Phantomen gejagt« in die Kinos kam, geriet ungewollt komisch. Unter Fans genießt er heute Kultstatus.

Simmons versuchte sich in den 80ern dennoch als Schauspieler. Er spielte den Bösewicht im Science-Fiction-Thriller »Runaway - Spinnen des Todes« mit Tom Selleck. Und er wirkte unter anderem in der TV-Serie »Miami Vice« und dem Heavy-Metal-Horrofilm »Trick Or Treat« mit. Mit der Hollywood-Karriere wurde es allerdings nichts.

Erfolg mit Kiss, privates Glück mit Shannon

Dafür ging es mit Kiss immer weiter. Nachdem die Band 1983 ihre Masken abgelegt und einige Besetzungswechsel durchgemacht hatte, kehrte sie 1996 in der Originalbesetzung mit dem berühmten Make-up zurück. In den von Grunge- und Alternative-Rock dominierten 90ern waren Kiss plötzlich wieder eine der angesagtesten Live-Gruppen. Das klassische Line-up hielt zwar nur einige Jahre, aber das Make-up blieb bis zum allerletzten Kiss-Aufritt im Madison Square Garden am 2. Dezember 2023.

Simmons‹ amerikanischer Traum hat sich mehr als erfüllt. Er wurde reich und prahlte später gern damit, mit Tausenden Frauen im Bett gewesen zu sein. Zwischendurch war er vorübergehend mit den Sängerinnen Diana Ross und Cher liiert. Sein privates Glück fand er 1986 mit Schauspielerin und Model Shannon Tweed. Seit 2011 ist er mit der Kanadierin verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder.

Keine Langweile in Sicht

Ob Gene Simmons in Zukunft mehr Zeit für seine Familie hat, ist fraglich. Zur Ruhe setzen wird sich »The Demon« nämlich nicht. Neben zahlreichen geschäftlichen Projekten - auch rund um die Marke Kiss - will er in Zukunft mit seiner neuen Gruppe auf der Bühne stehen. Gerade erst gab er mit der Gene Simmons Band zwei Konzerte in Deutschland - in Oberhausen und beim Wacken Open Air. Langeweile droht also nicht.

»Natürlich wird nichts so, wie ein Teil von Kiss zu sein«, merkte Gene Simmons im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an. »Aber man sollte wissen, wann man vom Tisch aufstehen muss, wenn man viel gegessen hat. Wie viel kann man in einem Leben zu sich nehmen? Wir haben reichlich abbekommen.«

Ayala Goldmann

Die besten Texte aus 15 Jahren

Unsere Redakteurin hat ein Buch mit ihren Glossen aus der »Jüdischen Allgemeinen« veröffentlicht

von Ayala Goldmann  13.09.2024

Fernsehen

Viele Jahre bis zum großen »Hallelujah«

Arte zeigt ein sehr sehenswertes Porträt des kanadischen Sängers Leonard Cohen

von Ulrich Kriest  12.09.2024 Aktualisiert

Berlin

Theodor-Wolff-Preis geht an fünf Journalistinnen und Journalisten

Auch ein Redakteur der Jüdischen Allgemeinen war zusammen mit einem Autor in der Kategorie »Thema des Jahres« nominiert

 12.09.2024

Kultur

Der »King of Klezmer« ist jetzt Deutscher

Er wolle mit diesem symbolischen Akt auch für mehr Völkerverständigung werben, so Feidman

von Leticia Witte  12.09.2024

Julia von Heinz

»Eine innere und äußere Reise«

Die Regisseurin über ihren neuen Kinofilm, Erinnerungskultur und Bashing auf Social Media

von Katrin Richter  12.09.2024

Terrorismus

Im Auftrag Teherans

In seinem neuen Buch zeigt der Sicherheitsexperte Peter R. Neumann, wie der Iran im Kampf gegen Israel auf kriminelle Gangs setzt. Ein exklusiver Vorabdruck

von Peter R. Neumann  12.09.2024

Hören!

»Alles muss repariert werden«

Das neue Album der Band ist kein normales Antilopen-Album, sondern ein Experiment

von Yannik Gölz  12.09.2024

Musik

Der Mann, der die 13 fürchtete

Zum 150. Geburtstag des Komponisten Arnold Schönberg

von Axel Brüggemann  12.09.2024

Comedy

Reihenweise Absagen für die Show von Nizar

Der Comedian steht wegen Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus in der Kritik

 12.09.2024 Aktualisiert