Herr Schleiff, die Frankfurter Goethe-Universität unterzeichnet am Mittwoch einen Kooperationsvertrag mit der Jüdischen Akademie des Zentralrats. Was beinhaltet die Zusammenarbeit?
Die Kooperation beginnt nicht bei null. Wir haben schon häufig mit der Jüdischen Akademie zusammengearbeitet. Da wäre zum Beispiel das gemeinsame hessische Synagogengedenkbuch oder das Forschungsprojekt »Erziehung nach Auschwitz«. Der Vertrag soll diese Verbindung vertiefen, in Forschung und Lehre. Weitere Projekte werden wir jetzt mit der Akademie erarbeiten.
Anlässlich der Unterzeichnung haben Sie geschrieben, jüdisches Leben sei für die akademische Welt »conditio sine qua non«, also unabdingbar. Wie meinen Sie das?
Schauen Sie nur mal auf die Geschichte der Goethe-Universität: Ohne jüdisches Leben würde es diese gar nicht geben. Es waren jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1914 die Gründung ermöglichten, und der moderne Ruf, den wir von Anfang an hatten und der uns bis heute prägt, war auch durch jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begründet – Karl Mannheim, Martin Buber, Paul Ehrlich oder Franz Oppenheimer. Auch nach der tiefen Zäsur des Nationalsozialismus kehrten jüdische Kollegen an die Universität zurück, etwa Max Horkheimer.
Auf welche Weisen lebt die reiche jüdische Geschichte der Goethe-Universität auch in der Gegenwart fort?
Wir halten das Bewusstsein für den jüdischen Beitrag zu unserem Wissensstand wach und arbeiten damit weiter – ein Beispiel ist unsere international bekannte Judaica-Sammlung und die Forschung dazu. Wir pflegen zudem eine sehr intensive Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten.
Auf israelfeindlichen Protestcamps, die es auch an der Goethe-Universität gegeben hat, wird der akademische Boykott Israels gefordert. Was halten Sie davon?
Es wäre der falsche Weg, die wissenschaftliche Verbindung abbrechen zu lassen. Wir forschen auch gemeinsam mit israelischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die öffentlich Kritik an der Politik ihrer Regierung äußern. Selbstverständlich wird auch in Israel um die richtigen Lösungen gerungen. Die Verbindung zu israelischen Universitäten wollen wir weiter vertiefen.
Die israelfeindlichen Proteste verunsichern viele Ihrer jüdischen Studierenden. Was tun Sie für deren Sicherheit?
Wir sind kontinuierlich im Gespräch mit unseren Studierenden und nehmen diese Verunsicherung sehr ernst. Gleichzeitig unterliegen die Flächen der Universität dem Versammlungsrecht, und wir haben keine grundsätzliche Möglichkeit, Demonstrationen zu unterbinden. Wir unternehmen aber alles, damit sich die jüdischen Universitätsangehörigen hier sicher fühlen, und haben die Unterstützungsstruktur bei antisemitischen Vorfällen ausgebaut.
Mit dem Präsidenten der Goethe-Universität sprach Joshua Schultheis.