Vor gut einem Jahr suchte das Jüdische Museum Frankfurt am Main über einen Social-Media-Aufruf nach Informationen zu vier Frankfurter Künstlerinnen des vergangenen Jahrhunderts und ihren Werken. Wenn man nun durch die neue Sonderausstellung im Museum streift, kann man staunen, wie viel das Kuratorenteam um Eva Atlan an Kunstwerken und Zeitzeugnissen zusammentragen konnte.
Die Besucher tauchen zum einen in eine Zeit vor der Schoa und dem Zweiten Weltkrieg und zum anderen in die künstlerische Welt von vier Frauen ein, die ihrer Zeit oft voraus waren.
ZEITUNGSARTIKEL Begonnen hatte alles mit einem Zeitungsartikel der Kunsthistorikerin Sascha Schwabacher aus dem Jahr 1935. Diese stellte die vier Protagonistinnen Rosy Lilienfeld, Amalie Seckbach, Ruth Cahn und Erna Pinner in ihren Ateliers vor. Alle vier waren erfolgreiche Künstlerinnen im Frankfurt der 1920er- und frühen 30er-Jahre gewesen – doch ihre Karrieren wurden abrupt durch den Nationalsozialismus und die damit verbundene Verfolgung beendet.
Nach dem Krieg gerieten sie gemeinsam mit ihrem Werk in Vergessenheit, vieles wurde zerstört oder unauffindbar verstreut. Das Jüdische Museum versucht nun, den vier Künstlerinnen ihre Geschichte und die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zurückzugeben. Dafür werden zahlreiche Archivdokumente, aber auch persönliche Objekte – wie Fotoalben oder letzte Werklisten – herangezogen. Gleichzeitig ist es den Besuchern möglich, Zeitzeugnisse wie Zeitungsartikel auditiv über kleine QR-Codes zu hören.
Die Besucher können durch die Ateliers der Künstlerinnen gehen.
Wie Sascha Schwabacher es schon 1935 tat, können die Besucher nun durch die Ateliers der vier Künstlerinnen gehen, die hier mittels einer Ausstellungsarchitektur von vier aneinandergrenzenden Räumen dargestellt werden.
ROSY LILIENFELD (1896–1942) war eine Expressionistin, die sich sowohl mit ihrem direkten Umfeld, aber auch literarischen Themen sowie der jüdischen Mystik künstlerisch auseinandersetzte. Keines ihrer Gemälde ist bisher bekannt oder erhalten, sodass zahlreiche ihrer Druckgrafiken oder Tusche- und Kohlezeichnungen gezeigt werden. Gerade ihre weiblichen Porträts und Selbstporträts zeigen eindrucksvolle Charaktere.
Im Sommer 1939 sah sich Lilienfeld mit ihrer Mutter dazu gezwungen, nach England zu emigrieren. Sie schafften es nur bis in die Niederlande, wo die Künstlerin verhaftet wurde. Nach dem Aufenthalt in einem Zwischenlager wurde Rosy Lilienfeld nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
AMALIE SECKBACH (1870–1944) tat sich zunächst als Sammlerin ostasiatischer Kunstwerke hervor. Erst spät begann sie ihre künstlerische Karriere als Bildhauerin und Malerin. Einen Höhepunkt bildete die gemeinsame Ausstellung mit James Ensor. Der Erfolg endete unter der NS-Kulturpolitik abrupt, und Amalie Seckbach wurde mit 72 Jahren nach Theresienstadt deportiert.
Den Stift legte sie jedoch selbst dort nicht nieder. Diese letzten Zeichnungen zeigen erträumte Landschaften und fantastische (Selbst-)Porträts, oft bezeichnet mit dem Datum und der Ortsangabe »Theresienstadt«. Es sind eindrucksvolle Zeugnisse darüber, wie sich die Fantasie und die lebensfeindliche Realität der Künstlerin vermengten.
RUTH CAHN (1875–1966) etablierte sich schnell zu einer wichtigen Figur der Frankfurter Kunstszene. Ihre Gemälde sind sehr farbstark und ähneln der Kunstströmung des Fauvismus, bei deren Vertretern sie in Paris lernte. Auch Cahns künstlerischer Werdegang wurde durch die NS-Verfolgung erstickt, sodass sie sich gezwungen sah, nach Chile zu emigrieren. Auch wenn sie in den 60er-Jahren nach Deutschland zurückkehrte, konnte Ruth Cahn nie wieder an ihren einstigen Erfolg anknüpfen.
ERNA PINNER (1890–1987) bereiste mehrere Länder der Welt und hielt ihre Impressionen in eigenen Büchern und einer Vielzahl von Fotografien und Zeichnungen fest. Ein weiteres wichtiges Motiv waren Tiere – mit feinen, präzisen Linien hielt sie vor allem auch Zootiere auf dem Papier fest. Nach vielen Entbehrungen schaffte sie es, auch nach ihrer Emigration nach London ihre Karriere in diesem Bereich wiederzubeleben.
Umklammert werden die vier Geschichten von Einführungen in das Frankfurt der Vorkriegszeit,
Umklammert werden diese vier Geschichten von Einführungen in das Frankfurt der Vorkriegszeit, den wissenschaftlichen und kulturellen Orten, das Bild der Frau und die Entwicklung der jüdischen Intellektuellenszene der Zeit.
Insgesamt beeindruckt die Ausstellung mit einer gelungenen Gratwanderung zwischen der Erzählung der Geschichten und Schicksale der vier Künstlerinnen und der kunsthistorischen Würdigung ihrer Werke. Vor allem wird auch ein Bewusstsein für die Einschnitte geschaffen, die der Nationalsozialismus nicht nur ins Werk dieser Künstlerinnen gerissen hatte, sondern auch in den Kanon der Kunstgeschichte.
Die Ausstellung »Zurück ins Licht« im Jüdischen Museum Frankfurt am Main ist noch bis zum 17. April zu sehen.