Erfolgsrezept

Geld und gute Worte

Wenn Rabbiner und führende jüdische Persönlichkeiten außerhalb von Lubawitsch auf den Erfolg von Chabads Schulen, Ferienlagern, Erwachsenenunterricht und anderen Programmen blicken, sagen viele, wenn sie so viel Geld hätten, könnten sie genauso viel tun. »Die Leute meinen, wir bräuchten nur beim Eastern Parkway 770 anzurufen, wenn wir Geld benötigen«, sagt Yossi Greenberg in Alaska. In Wahrheit muss jedes Chabad-Zentrum für sich selbst sorgen. Die Schlichim draußen sind zuständig für ihre eigene Geldbeschaffung, und sie müssen nicht nur Geld für ihre eigenen Unternehmungen finden, sondern auch, um ihre Kinder aufzuziehen, ihre Hypothek zu bezahlen und Essen auf ihren Tisch zu bringen. Fundraising ist kein Unterrichtsfach in Lubawit- scher Jewischot. »Man lernt es ganz schnell, wenn man kein Essen auf dem Tisch hat«, erklärt Detroit-Schaliach Levi Shemtov.

spender Der Chabad-Schaliach glaubt daran, dass seine Mission heilig ist, und dass, wenn er seiner Arbeit aus ganzem Herzen nachgeht, Geld gefunden wird, damit es weitergeht. Er nähert sich jedem potenziellen Spender mit einem geradezu ansteckenden Optimismus. Wenn der Schaliach um Geld bittet, entschuldigt er sich nicht. Er verlangt vom Spender nicht, eine schwere Last zu übernehmen, sondern stellt es ihm oder ihr so dar, dass sie Gelegenheit haben, Teil einer wunderbaren Mizwa zu werden: für den Fortbestand des jüdischen Volkes zu sorgen.

Jeder Spender hat einen persönlichen Grund für seine Spenden an Chabad. Für den Kosmetikmagnaten und Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, war es ein Besuch in einer Chabad-Schule für sowjetische Flüchtlingskinder in Wien 1986, als er gerade zum US-Botschafter in Österreich ernannt worden war. In einer Rede bei einem Chabad-Dinner in Washington im Juli 2001 sagte Lauder, dass es, als er jene Russisch sprechenden Flüchtlingskinder sah, um ihn geschehen sei. Ein Besuch beim Rebben in Crown Heights wenige Wochen nach dem Wiener Erlebnis zementierte seine Verpflichtung. Lauder schreibt Schneerson das Verdienst zu, ihn ermutigt zu haben, sich für jüdisches Gemeindeleben einzusetzen: »Der Rebbe hat mein Leben verändert.«

promis Chabad-Schlichim umwerben führende Geschäftsleute wegen ihres Geldes und Ansehens, aber sie sind auch sehr erfolgreich, wenn es darum geht, Politiker und Hollywood-Berühmtheiten anzuziehen, von denen einige Spender werden, die meisten jedoch einen Beitrag leisten, indem sie der Bewegung ein spezifisches gesellschaftliches Gütesiegel aufsetzen. Wenn Bill Clinton uralte Chabad-Bücher mit der Air Force One aus Moskau mitbringt, um sie dem Rebben persönlich zu überreichen, wenn Al Gore sich für die Sache einsetzt oder Joe Lieberman in Chabad-Videos zu sehen ist – dann ist das das, was man Freunde mit Einfluss nennt.

Aber warum leitet der Schauspieler Jon Voight, der nicht jüdisch ist, den jährlichen TV-Spendenmarathon für Chabad an der Westküste? Warum unterstützen Whoopi Goldberg, Carroll O’Connor, Elliot Gould, Anthony Hopkins und Michael York die Veranstaltung? Warum sponsert Gail Papp, die Witwe des verstorbenen Theaterproduzenten Joseph Papp, jährlich ein Dinner im New York Hilton, um Geld für ein Waisenheim in der Ukraine und eine Poliklinik zu sammeln, die von Chabads Kinderorganisation Tzivos Hashem betrieben wird? Und warum stehen Tony Randall, Meryl Streep, Liza Minelli und James Earl Jones dort auf der Bühne neben ihr?

Jede Berühmtheit hat ihren eigenen Grund, Chabad beim Geldsammeln zu helfen. Einigen sagt die nicht konfessionsgebundene Art von Chabads sozialer Arbeit zu: die Drogenrehakliniken, die Suppenküchen. Einigen gefällt die Art, wie Chabad ihre eigenen jüdischen Erinnerungen aus der Kindheit heraufbeschwört. Einige tun einem Freund einen Gefallen. Einige sind da, weil andere da sind; Erfolg bringt Erfolg.

dylan Bob Dylan ist einer der größten Namen, die mit Chabad in Verbindung gebracht werden, wenngleich seine Beziehung im Laufe der Jahre schwankte. In den frühen 1980er-Jahren »rettete« Chabad Dylan aus einem kurzen Flirt mit dem Christentum, und mehrere Jahre lang studierte er mit Manis Friedman und Moshe Feller, den Schlichim in Minneapolis, die er auch zum Schabbat-Abendessen aufsuchte. Dylan hatte überraschende Auftritte bei den Fernsehspendenmarathons 1988 und 1989, einmal spielte er dabei »Hava Nagila« auf der Harmonika mit seinem religiösen Schwiegersohn, dem Musiker Peter Himmelman. Er wurde beinahe jedes Jahr bei Chabad-Gottesdiensten an den Hohen Feiertagen gesehen, zuletzt 2001 in Encino, Kalifornien, wo man ihn am Jom-Kippur-Morgen mit einer Alija zur Tora ehrte.

Die meisten Juden, die Chabad Geld spenden, sind wie Bob Dylan nicht praktizierend, haben aber jüdische Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Einige werden praktizierender, während sie an Chabad-Aktivitäten teilnehmen. Andere nicht. Einige spenden zum Teil aus einer Art Schuldgefühl heraus: Diese Chassidim führen die Art von jüdischem Leben, das sie selbst führen »sollten«, von dem sie aber wissen, dass sie es nicht führen werden. Es ist ein leichter Ausweg, sein Gewissen zu beruhigen, ohne seinen Lebenswandel zu ändern.

Auszug aus dem soeben erschienenen Buch von Sue Fishkoff »Das Heer des Rebben. Einblicke in die Chabad-Bewegung«. Übersetzt von Miriam Magall. Edition Books & Bagels, Zürich 2011, 431 S., 33 CHF www.booksnbagels.com
Wir danken für die Abdruckgenehmigung.

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