Ein Treffen in Berlin brachte schließlich den Durchbruch. Die Universität Leipzig schickte Generalbundesanwältin Monika Harms als Vorsitzende ihres Hochschulrates ins Rennen. Die Delegation der Jewish Claims Conference (JCC) wurde durch deren Direktor Roman Haller angeführt.
Und weil sich beide Seiten in der Sache schnell einig waren, ging es bald nur noch um das Verfassen einer gemeinsamen rechtssicheren Erklärung. Die berühmte, 163 Exponate umfassende Privatsammlung des Leipziger Ägyptologen Georg Steindorff wird – so viel ist nun sicher – im Ägyptischen Museum der Messestadt bleiben.
Beendet ist damit ein Rechtsstreit von überragender Bedeutung. Ein Streit, der seit Jahren die Fachwelt in Atem gehalten und zuletzt deutlich an Dynamik gewonnen hatte. Der 1934 emeritierte Lehrstuhlinhaber Steindorff (1861–1951) hatte 1936 der Universität seine wertvolle Sammlung zum Kauf angeboten.
Die Uni erwarb die außergewöhnlichen Stücke ein Jahr später von ihm – allerdings für insgesamt 8.000 RM anstatt des aktuellen Verkehrswertes aller Einzelstücke von 10.200 RM. Die Uni berief sich immer wieder darauf, dass ein »Mengenrabatt« für den Erwerb von Kollektionen üblich sei und der Kauf ohne jeden Druck auf Steindorff vonstatten ging.
Im Alter von 78 Jahren emigrierte Steindorff 1939 mit seiner Familie schließlich in die USA. Er selbst hatte sich bereits als junger Mann 1884 taufen lassen. Doch obwohl er sich nicht als Jude verstand, musste er sich immer wieder antisemitischer Vorwürfe erwehren. Seine jüngere Schwester, die in Leipzig geblieben war, wurde 1941 von den Nazis im KZ Ravensbrück ermordet.
streit 2009 schließlich wurde der vom JCC gestellte Restitutionsanspruch vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen positiv beschieden – die JCC hatte den Antrag ohne Wissen der Hinterbliebenen in den USA gestellt. Die Uni klagte gegen den Bescheid und argumentierte, dass Emeritus Steindorff seinerzeit freiwillig und ohne Zwang verkauft habe.
Auch der aus den USA zur Verhandlung angereiste 88 Jahre alte Enkel Steindorffs, Thomas Hemer, sprach sich für einen Verbleib der Sammlung in dem Museum aus. Es sei der Wille Steindorffs gewesen, die Stücke im Besitz der Universität zu wissen.
Erst vor wenigen Tagen gab das Verwaltungsgericht Berlin der JCC Recht, wies die Klage ab und anerkannte einen »verfolgungsbedingten Entzug«. Für den Direktor der JCC, Roman Haller, ist vor allem die moralische Dimension des Urteils wie des Kompromisses wichtig.
»Die Nürnberger Gesetze 1935 haben alles verändert, ab da war nichts mehr normal. Das festzuschreiben, war uns wichtig. Aber wir wollten die Exponate niemals restituieren, sondern sie immer für die Ausstellung erhalten.
Man hätte nur frühzeitig auf uns zukommen müssen. Uns war und ist wichtig, dass das Museum die Stücke zeigen kann und zugleich mit einem Erziehungsprogramm einen Beitrag zur Aufarbeitung der Schoa leistet.« Haller sieht den Kompromiss auch als Signal an andere Museen, Galerien und Auktionshäuser, über den Umgang mit jüdischem Eigentum und ihre 2009 abgegebene Selbstverpflichtung nachzudenken.
In den Washingtoner Grundsätzen, an deren Formulierung die JCC maßgeblich mitgewirkt hatte, wird die Restitution in der NS-Zeit geraubter Vermögenswerte geregelt. Vor diesem Hintergrund sprach der Executive Vice President der JCC, Greg Schneider, von einer »notwendigen Anerkennung historischer Wahrheit«. Nur dann seien faire und gerechte Lösungen möglich.
zusammenarbeit Das Museum bewertet den Kompromiss ähnlich positiv. Dietrich Raue, Kustos der Einrichtung, hat bereits einen ganzen Maßnahmenkatalog erarbeitet. »Wir haben in den zurückliegenden Monaten sehr intensiv recherchiert und dabei viel gelernt.
Nun wollen wir die Forschungsergebnisse auch publik machen. Wir werden die tragische Familiengeschichte von Georg Steindorff den Besuchern und dabei gezielt Schulklassen nahebringen.« Außerdem schwebt dem renommierten Museum vor, bei Vorträgen und Veranstaltungen noch stärker als bisher mit der jüdischen Gemeinde in Leipzig und dem Ariowitsch-Haus als Zentrum jüdischer Kultur zusammenzuarbeiten.
Steindorff, dessen Name das Museum trägt, gilt als außergewöhnlicher Wissenschaftler. Er führte zahlreiche Grabungen in Ägypten durch. Immer wieder erwarb er aus privaten Mitteln antike Stücke, um damit die Sammlung der Universität zu ergänzen. Heute besitzt das Museum rund 7.000 Exponate und kann sich seit seinem Umzug in ein neues Domizil vor einem Jahr über wachsende Besucherzahlen freuen.
Dass der Konflikt so positiv beigelegt werden konnte, freut schließlich auch den Enkel des Wissenschaftlers, Thomas Hemer. Er habe zwischenzeitlich mit dem alten Herrn in den Vereinigten Staaten telefoniert, so Dietrich Raue. Und der sei sehr froh, dass Steindorffs Lebenswerk auf diese Weise weiter gewürdigt werde.