Auf dem Podium standen ihre Büsten einträchtig nebeneinander, obwohl sie sich im wirklichen Leben wahrscheinlich nie begegnet sind: der Preußenkönig Friedrich II., dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr ausgiebig begangen wird, und der Philosoph Moses Mendelssohn (1729–1786). Gestern abend war es allerdings nicht der königliche Jubilar, der im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam gefeiert wurde, sondern der jüdische Aufklärer – genauer gesagt, das 20-jährige Bestehen des nach ihm benannten Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ).
geschichte Kurz nach der Wende, 1992, von dem Historiker Julius Schoeps gegründet – selbst ein Nachfahr des großen Mendelssohn –, war das MMZ seither nicht nur an der Entwicklung des Faches Jüdische Studien an der Universität Potsdam beteiligt – es setzte auch eigene Schwerpunkte in Gebieten wie europäisch-jüdische Geschichte, jüdische Literatur, Religion und Kunst, Geschichte Israels, Soziologie des Judentums, aber auch in der Forschung zu gesellschaftlich brisanten Themen wie Rechtsextremismus und Antisemitismus.
In einer Zeit, da im Wissenschaftsbetrieb die Devise »publish or perish« gilt, kann sich die Ausbeute des MMZ aus zwei Jahrzehnten Forschungstätigkeit durchaus sehen lassen: Mehr als 300 Buchpublikationen sowie knapp 80 Konferenzen und Vortragsreihen trugen aber nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht zum Profil des MMZ bei.
Und das strahlt aus. Zum Festakt in Potsdam waren etwa 300 Gäste erschienen, darunter Prominenz aus Wissenschaft, jüdischen Gemeinden und brandenburgischer Landesregierung. Kuratoriumsmitglied Rachel Salamander erinnerte in ihrem Grußwort daran, wie seit den 80er-Jahren in der Bundesrepublik Deutschland das Interesse an allem Jüdischen gewachsen sei – »Judentum wurde regelrecht ›in‹« – und somit die geistige Voraussetzung für das Moses Mendelssohn Zentrum geschaffen wurde.
glückwünsche Die Brandenburgische Bildungsministerin Martina Münch überbrachte nicht nur Grüße von Ministerpräsident Matthias Platzeck, sondern äußerte auch die Hoffnung, dass in dem geplanten Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg neben den vier Universitäten in Berlin und Potsdam auch die beiden »An-Institute« – das MMZ sowie das Abraham Geiger Kolleg – gleichberechtigt vertreten sein würden. Schoeps als dem »spiritus rector« des Zentrums für Jüdische Studien wünschte sie jedenfalls, dass das Vorhaben gelingt.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der Universität Potsdam, Oliver Günther. Er sagte, es sei durchaus im Sinne Moses Mendelssohns, wenn die jüdische Theologie als vollwertiges Universitätsinstitut etabliert werden würde (und spielte damit auf die Debatte um den Status und den möglichen Wegzug des Abraham Geiger Kollegs aus Potsdam an). Auch Günther äußerte die Hoffnung, dass bereits in diesem Frühjahr das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg eröffnet werden könne, und zwar unter Einbeziehung des Moses Mendelssohn Zentrums und des Abraham Geiger Kollegs.
Schoeps und seine zehn Mitarbeiter am MMZ haben aber auch sonst Ambitioniertes vor. Im März steht eine Tagung über die Situation der Juden in Preußen auf dem Programm – und dann ist auch noch die Gründung eines Partnerinsituts in Kroatien geplant. Das Moses-Mendelssohn-Institut an der Universität Zagreb soll sich der Geschichte der Juden in Mittel- und Südosteuropa widmen, von Prag bis zum Balkan.
Der Historiker und ehemalige Brandenburgische Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein würdigte in seinem humorvollen Festvortrag eben diese europäische Ausrichtung des Moses Mendelssohn Zentrums. Der Namensgeber erinnere dabei an eine Zeit, in der Berlin eine »geistige Dimension« hatte, so Enderlein – »das ist aber lange her«.