Herr Rosenberg, am 6. September wäre Franz Josef Strauß 100 Jahre alt geworden. Wie erinnern Sie sich an den CSU-Politiker?
Als einen gebildeten, engagierten Bayern, Deutschen und Europäer, der kontinuierlich dazu beigetragen hat, dass Deutschland und Westeuropa Teil des westlichen Bündnisses wird, die Menschen in einer sozialen Marktwirtschaft in Frieden und Freiheit leben. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit, musste politisch hart erkämpft werden.
Wie haben Sie die Gedenkfeiern für Franz Josef Strauß empfunden?
Am vergangenen Wochenende gab es drei Veranstaltungen. Eine der Hanns-Seidel-Stiftung, eine der Bayerischen Staatsregierung und eine der CSU und der Familie in Rott am Inn. Drei ganz unterschiedliche Gedenkfeiern, die aber eines gemeinsam hatten: stolz auf einen Bayern zu sein, der Bayern, Deutschland und Europa im 20. Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg mitgestaltet und mitgeprägt hat.
Können Sie das so unterstreichen?
Ja. Ich habe zehn Jahre, von 1978 bis 1988, als Pressesprecher für Franz Josef Strauß gearbeitet. Über die 50er- und 60er-Jahre kann ich natürlich nicht als authentischer Zeitzeuge sprechen. Aber das, was ich über Franz Josef Strauß in den Reden am vergangenen Wochenende gehört habe, entspricht dem, was ich erfahren habe.
Wie war es, als Sie angefangen haben, bei ihm zu arbeiten?
Ich war damals 31 Jahre alt, ein junger Journalist, der seine Ausbildung in München abgeschlossen und einige Jahre Zeitungserfahrungen erworben hatte. CSU-Pressesprecher zu werden, war eine große Herausforderung, die ich rückblickend als die zehn wichtigsten beruflichen Jahre meines Lebens betrachte.
Wie wirkte Strauß auf Sie?
Er war sehr gebildet, war arbeitsam und forderte seinen Mitarbeitern und sich selbst alles ab. Wenn man das überlebt – und das habe ich Gottseidank, gesund und munter –, waren das Jahre, in denen ich viel erlebt, gelernt habe und in den inzwischen 27 Folgejahre gut nutzen konnte.
Was konnten Sie mitnehmen?
Das richtige Koordinatensystem: letztendlich zählt nur die kontinuierliche Leistung.
Franz Josef Strauß polarisierte. Wäre er denn heute noch oder wieder modern?
Er war stets lernwillig und lernfähig, damit hätte er sich auch im 21. Jahrhundert behaupten können.
In Ihrem Buch »Franz Josef Strauß und sein Jude« schreiben Sie nicht nur über die deutsch-israelischen Beziehungen, sondern auch ganz speziell über die bayrisch-israelischen Beziehungen. Was unterscheidet die beiden voneinander?
Sie sind nicht wesentlich anders. Es ging immer wieder um die Wiedergutmachung dessen, was zwischen 1933 und 1945 passiert ist. In Israel und Deutschland wurden fast zur gleichen Zeit wie wir inzwischen wissen erfolgreiche Demokratien, Rechts- und Sozialstaaten aufgebaut. Das verbindet Franz Josef Strauß mit David Ben Gurion. Es gibt also eine ganze Reihe von Parallelen. Eine der wichtigsten Aussagen beider Staatsmänner ist: Wir müssen unserer Jugend Bildungschancen anbieten und den älteren Menschen die Sicherheit im Alter geben. Das waren wichtige Maxime für den Neuanfang in Deutschland und Israel. Die Voraussetzungen dafür waren in Israel ungleich schwerer. Heute sind beide gefestigte Demokratien.
Warum haben Sie sich für diesen Titel entschieden?
Weil der Titel aufmerksam macht, zum Lesen und Nachfragen anregen soll.
Meinen Sie?
Ja, Juden wie Nichtjuden fühlen sich durch den Titel erstmal verunsichert. Das Besondere ist, dass ich 1978 als Sohn jüdischer Eltern, die die Schoa überlebt haben, CSU-Pressesprecher in Bayern wurde und mich in dieser Funktion zehn Jahre behaupten konnte.
War das schwierig?
Nein, mein Judesein hat damals fast keine Rolle gespielt. Ich habe das Buch als Israeli 25 Jahre danach zu schreiben begonnen. Das Buch ist ein kompromissloser Rückblick mit der Erfahrung von heute 17 Jahren als Israeli.
Hat sich Franz Josef Strauß für die Geschichte Ihrer Familie interessiert?
Wir hatten eine ganze Reihe von Gesprächen. Er wollte einmal wissen, woher mein Vorname käme oder wie meine Eltern überlebt haben. Er war ein guter Zuhörer. Bei seinen beiden Besuchen in Israel 1980 und 1985 war ich dabei. Er war ein hochwillkommener Gast in Israel. Jerusalem hat ihm nie vergessen, dass er als Verteidigungsminister in einer Zeit Waffen an Israel geliefert hat, in der Israel von der gesamten Welt – inklusive den USA – boykottiert wurde. Er hat Moral vor Recht gelten lassen. Die Waffenlieferungen waren mehr als eine mutige Entscheidung, denn wenn die Sache damals an die Öffentlichkeit gekommen wäre, hätte dies das Ende der Karriere des Politikers Franz Josef Strauß bedeutet.
Wie wird Franz Josef Strauß in Israel wahrgenommen?
Die heutige Generation kennt ihn natürlich nicht mehr. Schimon Peres ist der letzte noch lebende israelische Politiker, der sich an Strauss erinnert. Er hat damals die Verhandlungen über die Waffenlieferung geführt. Peres sagte mir über Strauß: »Er half, als wir Hilfe brauchten.«
Mit dem Autor sprach Katrin Richter.
Mehr Informationen zum Buch unter:
www.allitera.de