Lesen!

»Garten der Engel«

David Hewson gelingt in seinem jüngsten Buch die erstaunliche Balance zwischen historischer Wahrheit und der Spannung eines Thrillers

von Daniel Killy  25.06.2023 09:49 Uhr

David Hewson gelingt in seinem jüngsten Buch die erstaunliche Balance zwischen historischer Wahrheit und der Spannung eines Thrillers

von Daniel Killy  25.06.2023 09:49 Uhr

Ein Krimi auf drei Zeitebenen: Der britische Autor David Hewson schildert die Geschichte der Besatzung Venedigs durch die Nazis in Gestalt des Schoa-Überlebenden Paolo und dessen Enkel Nico gleichsam als These, Antithese und Synthese der NS-Zeit. So gelingt Hewson in seinem jüngsten Buch Garten der Engel die erstaunliche Balance zwischen historischer Wahrheit und der Spannung eines Thrillers.

Der Roman wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Geschildert wird zunächst aus der Sicht des 15-jährigen Nico Uccello, der von seinem Großvater Paolo und Haushälterin Chiara aufgezogen wird. Die Uccellos sind eine angesehene Dynastie von Stoffhändlern aus Venedig. Doch ihr Geschäft mit Samttüchern durchlebt wie die Stadt schwere Zeiten.

UMSCHLAG Nico wird von der Schule suspendiert, weil er tatenlos dabei zugesehen hat, wie ein neuer jüdischer Mitschüler verprügelt wurde. Als Nico seinem Großvater erzählt, was passiert ist, beschließt Paolo, dass es für den Jungen an der Zeit sei, etwas über seine Familiengeschichte zu erfahren. Er überreicht seinem Enkel einen Umschlag mit einer Reihe von Texten, eine Geschichte in fünf Teilen. Die Briefe schildern die Geschehnisse aus Paolos Perspektive.

Sie führen in den November 1943. Mussolini ist abgesetzt, in Italien tobt der Bürgerkrieg. Deutschland hat die Kontrolle über Norditalien, Venedig inklusive. Paolo ist 18 Jahre alt, ein Waisenkind der alliierten Bombenangriffe, und sieht, wie die Leiche einer Frau aus der Lagune gezogen wird. In der Menge befinden sich deutsche Soldaten und ein Polizist, Luca Alberti.

MARKHÄNDLERIN Trotz der offensichtlichen Anzeichen dafür, dass Isabella vergewaltigt und ermordet wurde, will niemand den Vorfall untersuchen. Isabella war eine jüdische Markthändlerin, bis man ihr das Geschäft wegnahm und sie in die Obdachlosigkeit trieb. Als der örtliche Priester, Pater Garzone, und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Dr. Diamante, protestieren, behauptet Alberti, es sei ein Unfall gewesen.

Aus dem Mord an der jüdischen Partisanin und den beiden Zeitsträngen entwickelt Hewson eine Matrix aus Schuld und Sühne, aus der Handlung macht er einen Kriminalfall und historischen Roman zugleich. Das ist sowohl fesselnd wie lehrreich, schildert der britische Autor doch ein fast vergessenes Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Die Methodik des Krimis vermag dabei auch Menschen für das Thema zu interessieren, die sich sonst nicht so sehr mit der Schoa auseinandersetzen.

David Hewson: »Garten der Engel«. Folio, Wien/Bozen 2023, 384 S, 27 €

Interview

»Ein großer Menschenfreund«

Campino über sein neues Buch, die Leidenschaft für Erich Kästner und Lyrik in Zeiten der Krise

von Nicole Dreyfus  26.11.2024

Fernsehen

»Kommt ein Vogel geflogen«

Wenn ein Papagei das Leben einer deutschen Familie mit jüdischem Elternteil ins Chaos stürzt

von Cosima Lutz  26.11.2024

Soziale Medien

Was Experten zur antisemitischen Radikalisierung bei TikTok sagen

Warnungen vor judenfeindlichen Inhalten

von Nikolas Ender  26.11.2024

Jubiläum

100 Jahre alt und weiter topaktuell: Thomas Manns »Zauberberg«

Der zum Katholizismus konvertierte Jude Leo Naphta ist eine der Hauptfiguren

von Karin Wollschläger  26.11.2024

Wissenschaft

Ist die Generation Selfie oberflächlich und selbstbezogen?

Dies ist nicht unbedingt der Fall, wie eine neue Studie aus Israel zeigt

 26.11.2024

Meinung

Nan Goldin: Gebrüll statt Kunst

Nach dem Eklat in der Neuen Nationalgalerie sollte Direktor Klaus Biesenbach zurücktreten

von Ayala Goldmann  25.11.2024

Hochschule

Das Jüdische Studienwerk ELES feiert sein 15. Jubiläum

Die Organisation will junge jüdische Studenten für das Gespräch stärken

von Stefan Meetschen  25.11.2024

Rezension

Trotzki-Biograf und Essayist

Isaac Deutschers Band »Der nichtjüdische Jude« zeigt Stärken und Schwächen des eigensinnigen Historikers

von Marko Martin  25.11.2024

Sehen!

Fluxus in Köln

Das Museum Ludwig widmet Ursula Burghardt und Ben Patterson eine Doppelausstellung

von Katharina Cichosch  24.11.2024