Jerusalem

Ganz Israel ist eine Ausstellung

Die Ausstellung beginnt schon auf der Fahrt dorthin: Von Tel Aviv aus zum Israel-Museum in Jerusalem fährt man zum Beispiel am Schriftzug einer Delek-Tankstelle vorbei, sieht am Flughafen nahe der Straße Nummer 1 das EL-AL-Schriftzeichen, passiert in Jerusalem einen Handwerkerladen, der die Farbe der Firma Tambour anpreist. Und wer unterwegs noch einmal anhält, um die Toilette aufzusuchen, stößt vielleicht auf das Klopapier der Marke Lilly.

All diese Markenzeichen und Schriftzüge zählen zu den Werken von Dan Reisinger, einem der bekanntesten und erfolgreichsten Grafikdesigner Israels der vergangenen Jahrzehnte. Kaum einer hat die israelische Markenwelt, aber auch die israelische Öffentlichkeit mit seinem Design so geprägt wie er. Nun zeigt das Israel-Museum in Jerusalem einen Teil seiner Werke und Skizzen aus den verschiedenen Abschnitten seines Berufslebens.

markenschilder Auf den ersten Blick gleicht die Ausstellung In Full Color einer bunten Werbehalle mit Plakaten an den Wänden und Markenschildern, die von der Decke hängen. Bunt deshalb, weil Reisinger stets mit kräftigen Farben und großen Formen arbeitet. Doch die Ausstellung ist noch viel mehr als das, sie zeigt ein Stück israelische Grafikdesign-Geschichte.

Auf zwei Bildschirmen können die Besucher den Meister sehen, wie er von seiner Arbeit erzählt, mit einer Zigarette in der Hand. »Die gehört bei Dan Reisinger einfach dazu. Er ist heute 83 Jahre alt und raucht noch immer sehr viel«, sagt Keren Kinberg, die Kuratorin der Ausstellung. Reisinger, der 1934 in Jugoslawien geboren wurde, 1949 nach Israel auswanderte und danach an der Bezalel-Kunstakademie studierte, lebt heute im Tel Aviver Vorort Givatayim und arbeitet noch immer. Doch seine bisherigen Werke und Skizzen hat er aussortiert und dem Israel-Museum vermacht. Ein Teil davon, die herausragendsten Arbeiten, ist nun bereits in der Ausstellung zu sehen.

In Full Color ist Reisingers zweite Ausstellung im Israel-Museum: Die erste Werkschau im Jahr 1976 war sogar die erste Einzelausstellung eines israelischen Designers im Museum überhaupt. In diesem Jahr sind nun auch Skizzen und erste Modelle sowie Fotos von Werken im öffentlichen Raum zu sehen. Und: Es sind weit mehr als nur kommerzielle Produkte für israelische Firmen, die Reisinger designt hat.

anfänge Seine Arbeit als Grafikdesigner begann Anfang der 60er-Jahre, wenige Jahre, nachdem Israel seine Unabhängigkeit erklärt hatte. Und somit prägte Reisinger auch in gewisser Weise die israelische Identität mit. »Das Persönliche und das Nationale« lautet deshalb der erste Abschnitt der Ausstellung, und in der Erklärung dazu heißt es: »Mit seinen Arbeiten und in Kooperation mit Regierungseinrichtungen und anderen Organisationen artikulierte er visuell, was ›Israelischsein‹ bedeutet.«

Reisinger gestaltete etwa das Plakat zum Unabhängigkeitstag 1963: große geometrische Formen und viele unterschiedliche Farben, die sich zum Abbild eines Soldaten mit Helm und Waffe zusammensetzen, dazu runde, weiße Blumen. Ein Jahr später entwarf er das Poster der Tel Aviv International Trade Fair, das ein weißes, fliegendes Kamel zeigt. 1967 dann designte er den gesamten israelischen Ausstellungspavillon auf der Weltausstellung Expo in Montreal. Er kreierte den Schriftzug des Habima-Theaters mit dem markanten ersten Buchstaben und bemalte in Absprache mit der Stadtverwaltung Wände entlang der Strandpromenade von Tel Aviv mit bunten großen Formen – eine sogenannte Supergrafik.

Doch so, wie sich das Land wirtschaftlich weiterentwickelte, nach und nach Unternehmen und somit Marken entstanden und Corporate Identity und Branding immer wichtiger wurden, so wuchs auch Reisinger mit diesen neuen Aufgaben. Eines seiner bekanntesten Projekte ist das Design für die israelische Fluggesellschaft EL AL.

EL AL Später gewann er die Ausschreibung für den neuen Schriftzug, nachdem die Fluggesellschaft neue Flugzeuge des Typs Boeing 747 gekauft hatte. Ihm gelang es, sowohl die englische als auch die hebräische Schrift in einer Zeile zu verbinden und damit Israel mit dem Rest der Welt auch im Design zu vereinen. »Dan Reisinger wurde kurzerhand zum Chefdesigner von EL AL«, erklärt Kuratorin Kinberg. Er designte auch das Innere der Flugzeuge – damals in roten Farbtönen –, Flugtickets, ja sogar die Zuckerpackungen, die zum Kaffee an Bord serviert wurden.

In den 80er-Jahren schuf Reisinger das Design auf den Verpackungen des Pharmazieunternehmens Teva: Jede Medikamentengruppe bekam eine bestimmte geometrische Form, und zur Unterscheidung der Medikamente innerhalb dieser Gruppe vergab er 16 knallige Farben – bis heute zieren sie die Verpackungen.

Dabei bliebt Reisinger parallel zu seinen kommerziellen Arbeiten immer auch politisch, schuf 1969 zum Beispiel ein Plakat in Rot mit der weißen Aufschrift »Let my people go«, wobei das »G« durch Hammer und Sichel symbolisiert wird: Ein Aufruf an die damalige Sowjetunion, die die Juden nicht nach Israel auswandern ließ. Im Jahre 1998 erhielt Dan Reisinger die höchste Auszeichnung des Landes, den Israel-Preis.

Eigentlich ist das ganze Land noch heute eine Ausstellung Reisingers, weil man noch immer allerorts auf seine Werke stößt. Die Schau im Israel-Museum, die noch bis März 2018 gezeigt wird, bietet die Chance, weitere, bereits aus der Öffentlichkeit verschwundene Arbeiten zu sehen und zu verstehen, wie Israels Grafikdesign nach und nach entstanden ist, und wie sich das Land und sein Design – mit Reisinger – über die Jahrzehnte verändert hat.

Dan Reisinger: »In Full Color«. Israel-Museum, Jerusalem, bis 3. März 2018

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025

Berlin

Mut im Angesicht des Grauens: »Gerechte unter den Völkern« im Porträt

Das Buch sei »eine Lektion, die uns lehrt, dass es selbst in den dunkelsten Zeiten Menschen gab, die das Gute dem Bösen vorzogen«, heißt es im Vorwort

 17.09.2025

Israel

»The Sea« erhält wichtigsten israelischen Filmpreis

In Reaktion auf die Prämierung des Spielfilms über einen palästinensischen Jungen strich das Kulturministerium das Budget für künftige »Ophir«-Verleihungen

von Ayala Goldmann  17.09.2025